Home News Werbung für rein digitalen Arztbesuch unzulässig – BGH hat heute im Grundsatzverfahren der Wettbewerbszentrale entschieden

Werbung für rein digitalen Arztbesuch unzulässig – BGH hat heute im Grundsatzverfahren der Wettbewerbszentrale entschieden

In einem von der Wettbewerbszentrale geführten Grundsatzverfahren gegen ein Versicherungsunternehmen hat der Bundesgerichtshof heute entschieden, dass die Werbung für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung

In einem von der Wettbewerbszentrale geführten Grundsatzverfahren gegen ein Versicherungsunternehmen hat der Bundesgerichtshof heute entschieden, dass die Werbung für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung gegen das Werbeverbot des § 9 Heilmittelwerbegesetz verstößt (BGH, Urteil vom 9.12.2021, Az. I ZR 146/20). Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

Die Wettbewerbszentrale wollte die Frage klären lassen, ob die Werbung für derartige Geschäftsmodelle, bei denen eine Behandlung von Patienten nur auf digitalem Wege erfolgt, zulässig sind. Die Vorinstanzen hatten der Klage der Wettbewerbszentrale stattgegeben (LG München, Urteil vom 16.07.2019, Az. 33 O 4026/18 und OLG München, Urteil vom 09.07.2020, Az. 6 U 5180/19). Das OLG hatte die Revision nicht zugelassen. Auf die von der Versicherung eingelegte Beschwerde hin nahm der BGH den Fall zur Entscheidung an.

„Bleib einfach im Bett, wenn du zum Arzt gehst.“

So hatte der Versicherer auf seiner Internetseite geworben und seinen Kunden den „digitalen Arztbesuch“ über eine App angekündigt. Beworben wurde dabei nicht nur Diagnose und Therapieempfehlung, sondern auch die Krankschreibung per App. Wörtlich hieß es: „Warum du den digitalen Arztbesuch lieben wirst. Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.“ Bei den sogenannten „eedoctors“, die die beworbene Fernbehandlung durchführen sollten, handelte es sich nach Angaben des Unternehmens um erfahrene Ärzte in der Schweiz.

Werbeverbot für Fernbehandlung

Derartige, zum Teil hilfreiche Modelle von Arzt-Patienten-Kontakten unterliegen jedoch besonderen rechtlichen Regelungen. § 9 Heilmittelwerbegesetz verbietet grundsätzlich die Werbung für Fernbehandlungen. Unklar war bislang, in welchem Umfang die Werbung für Fernbehandlungen erlaubt ist. Mit Blick auf das für Ärzte gelockerte Fernbehandlungsverbot ist diesen seit 2019 Werbung für Fernbehandlung im Ausnahmefall unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, nämlich dann „wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.“ Was die dort genannten Standards sind, war bislang vollkommen ungeklärt. Die Wettbewerbszentrale wollte wissen, ob rein digitale Primärversorgungsmodelle, also solche ohne jeglichen persönlichen Kontakt des Patienten mit dem Arzt, diesen Anforderungen genügen.

Der BGH hat nun entschieden, dass der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards unter Rückgriff auf die entsprechenden zivilrechtlichen Regelungen zum medizinischen Behandlungsvertrag und die dazu ergangene Rechtsprechung auszulegen sei. Die umfassende Versorgung von Patienten, für die die Beklagte geworben hatte, entspricht nach Auffassung des BGH jedenfalls derzeit nicht den allgemeinen fachlichen Standards.

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Christiane Köber
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Telefon: 06172 – 1215-20
E-Mail: koeber@wettbewerbszentrale.de

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 224/2021 vom 09.12.2021 (abrufbar im Internetangebot des BGH) >>

F 4 0497/17
ck

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