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BGH entscheidet zu Werbekennzeichnung für Influencerinnen

Influencerinnen dürfen ohne Werbekennzeichnung auf Instagram mit Tap Tags auf Unternehmensprofile verlinken, wenn sie für den konkreten Post keine Gegenleistung erhalten haben

Influencerinnen dürfen ohne Werbekennzeichnung auf Instagram mit Tap Tags auf Unternehmensprofile verlinken, wenn sie für den konkreten Post keine Gegenleistung erhalten haben. Das hat der BGH heute in zwei Revisionsverfahren entschieden und damit der gesetzlichen Neuregelung in § 5a Abs. 4 UWG in der Fassung ab 28. Mai 2022 vorgegriffen. In einem dritten Revisionsverfahren hat er dagegen die Verurteilung einer Influencerin wegen fehlender Werbekennzeichnung bestätigt.

Die Beklagten sind Influencerinnen, die auf der Social-Media-Plattform Instagram regelmäßig Bilder veröffentlichen. Bestandteil der Bilder sind von den Beklagten eingefügte sogenannte „Tap Tags“. Klickt man auf das mit „Tap Tags“ versehene Bild eines Instagram-Beitrags, erscheinen die „Tap Tags“, die die Firmen bzw. Marken der Hersteller von Produkten oder der Inhaber von Betrieben enthalten, die in der Regel auf dem jeweiligen Bild zu sehen sind. Durch einen Klick auf einen „Tap Tag“ wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet.

Ansatzpunkt für die Frage, ob Influencer Posts mit Tap Tags, die zu Unternehmensprofilen verlinken, als Werbung gekennzeichnet werden müssen, war bisher in erster Linie die Regelung zur Schleichwerbung in § 5a Abs. 6 UWG. Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Danach sind die Merkmale, aus denen sich eine Kennzeichnungspflicht als Werbung ergibt, dass (1) eine geschäftliche Handlung vorliegt und keine rein redaktionelle Tätigkeit, dass (2) der kommerzielle Zweck nicht offen gelegt und sich auch nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und (3) das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu bewegen – wie etwa den Aufruf der Website eines Dritten oder einen Kauf – die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

In der Vorinstanz haben die drei Gerichte, deren Entscheidungen der BGH jetzt überprüft hat, unterschiedlich entschieden.

Vorgeschichte der drei Revisionsverfahren

Das OLG Braunschweig hatte die dort beklagte Influencerin zur Unterlassung verurteilt (OLG Braunschweig, Urteil vom 13.5.2020 – 2 U 78/19). Die Beklagte, die eine gewerbliche Website mit Fitness- und Ernährungstipps betreibe, handele auch in ihren Instagram Posts gewerblich. Sie sei durchaus bereit, für Produktplatzierungen Entgelte von Drittunternehmen anzunehmen, wie ein konkretes Beispiel zeige. Schon die den Umständen nach naheliegende Erwartung, das Interesse von Drittunternehmen an einem Influencer-Marketing in Kooperation mit der Beklagten zu wecken und auf diese Weise Umsätze zu generieren, genüge für eine geschäftliche Handlung. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte auch für den konkreten streitgegenständlichen Post eine Gegenleistung erhalten habe, weil eine solche Gegenleistung den Umständen nach erwartet werde. Für die gleichzeitig betriebene Produktwerbung fehle jeglicher redaktioneller Anlass. Aus den Umständen ihres Instagram Profils und der einzelnen Posts ergebe sich der kommerzielle Charakter auch nicht wie von der Rechtsprechung gefordert auf den ersten Blick, sondern erst nach einer analysierenden Betrachtung, insbesondere betreibe sie ihr Profil auch nicht als Business-Account, sondern als privates Profil.

Das OLG Hamburg dagegen hat die Unterlassungsklage des Verbands gegen eine weitere Influencerin abgewiesen (OLG Hamburg, Urteil vom 2. Juli 2020 – 15 U 142/19). Zwar liege eine geschäftliche Handlung vor. Bei einer Influencerin mit 1,7 Millionen Followern sei jedoch eine Kennzeichnung von Posts mit Tap-Tags, die zu Unternehmensprofilen verlinken, nicht erforderlich, weil sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergebe. Der blaue Haken eines verifizierten Accounts lasse auf einen rein kommerziellen Account schließen, und es sei ausgeschlossen, dass einzelne Verbraucher angesichts der Follower- oder Besucherzahlen davon ausgehen, dass es sich jeweils um private Freunde der Beklagten handelt. Die streitgegenständlichen Posts zeigten die Beklagte in München und zweimal in Dubai in jeweils unterschiedlicher Kleidung und mit verschiedenen Accessoires. Es handele sich um keine „Schnappschüsse“, sondern offensichtlich wohl arrangierte Darbietungen, die auch fotografisch von hoher Qualität seien. Dass sich Verbraucher aufgrund von Tap Tags mit dem Angebot verlinkter Unternehmen befassten, stelle außerdem noch keine geschäftliche Entscheidung dar, so dass die geschäftliche Relevanz der fehlenden Kennzeichnung nicht gegeben sei.

Das OLG München hat die Unterlassungsklage des klagenden Wettbewerbsverbands gegen die bekannte Influencerin Cathy Hummels ebenfalls abgewiesen (OLG München, Urteil vom 25. Juni 2020 – 29 U 2333/19). Es hat ihre Tätigkeit als redaktionelle Tätigkeit eingeordnet, die sich nicht wesentlich von redaktionellen Beiträgen in Modezeitschriften unterscheide. Auch dort würden Produkte dargestellt und beschrieben. Der Charakter als redaktionelle Tätigkeit entfalle auch nicht dadurch, dass sie mit den Posts beabsichtige, sich für Werbeverträge interessanter zu machen und damit Einnahmen zu erzielen. Auch die Informationen zu den verwendeten Produkten gehörten zum redaktionellen Teil ihrer Posts. Selbst wenn man aber die Posts als geschäftliche Handlungen einordnete, liege der kommerzielle Zweck klar und eindeutig offen, denn es sei den Nutzern der Plattform Instagram bewusst, dass die Posts auch der Wertsteigerung des Images der Bekl. dienten und damit dieser für bereits bestehende und künftige „bezahlte Partnerschaften“ Vorteile brächten.

Entscheidungen des BGH

Der BGH hat die Revisionen des klagenden Verbands gegen die klagabweisenden Urteile des OLG Hamburg und des OLG München zurückgewiesen. Soweit die Beklagten mit den Posts ihre eigene Geschäftstätigkeit förderten, ergebe sich der kommerzielle Zweck – wie vom OLG Hamburg und OLG München festgestellt – jeweils unmittelbar aus den Umständen. Soweit die Beklagten dagegen eine fremde Geschäftstätigkeit, nämlich die der verlinkten Unternehmen, gefördert hätten, stellte ihre Tätigkeit keine kommerzielle Kommunikation bzw. keine Werbung dar, weil sie keine Gegenleistung erhalten hätten. Damit genüge des Verhalten den vorrangig zu prüfenden Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Telemediengesetz (TMG), § 58 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Medienstaatsvertrag (MStV). Bei diesen Bestimmungen handele es sich um bereichsspezifische Spezialvorschriften, die den Anwendungsbereich der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Bestimmung des § 5a Abs. 6 UWG einschränkten.

Dagegen hat der BGH die Revision der weiteren, vom OLG Braunschweig verurteilten Influencerin zurückgewiesen. Für ein dort streitgegenständliches Posting, mit dem die Influencerin eine Marmelade anpries, hatte sie eine Gegenleistung erhalten. Daher verstoße die Veröffentlichung des Beitrags ohne Werbekennzeichnung gegen § 5a Abs. 6 UWG. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Verbraucher erkennen, dass die Beklagte mit der Veröffentlichung von Beiträgen auf ihrem Instagram-Profil zugunsten ihres eigenen Unternehmens handele. Für die Verbraucher müsse gerade der Zweck eines Beitrags, ein fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar sein. Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines solchen mit „Tap Tags“ und Verlinkungen versehenen Beitrags sei regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung – dem Anklicken des auf das Instagram-Profil des Herstellers führenden Links – zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus verstoße der Beitrag zur „Raspberry Jam“ gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV, weil die darin liegende kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung nicht klar als solche zu erkennen sei.

Bei Influencer Posts, für die der Influencer keine Gegenleistung erhalten habe, müsse dagegen eine Einzelfallprüfung erfolgen, ob diese einen werblichen Überschuss aufweisen. Dabei sei zu prüfen, ob der Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebe, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlasse. Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen das Produkt abgebildet ist, mit „Tap Tags“ versehen sind, reiche jedoch, so der BGH, für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses nicht aus. Bei einer Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts liegt dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor (Stand 09. September 2021). Diese müssen noch analysiert werden, bevor ersichtlich ist, welche Best Practice-Richtlinien Unternehmen für ihre Influencer-Kooperationen bei Posts ohne direkte Gegenleistung künftig festlegen sollten. Die Ausführungen in der Pressemitteilung dazu, wann bei unentgeltlichen Influencer Posts ein werblicher Überschuss vorliegen soll, können darauf hindeuten, dass der BGH sich noch zu Indizien äußern wird, wann ein Influencer Post zugunsten eines fremden Unternehmens in den Augen der Nutzer als kommerziell gilt und unter welchen Umständen nicht. Festzuhalten bleibt, dass entgeltliche Influencer Posts weiterhin als „Werbung“ oder „Anzeige“ direkt nach der Überschrift gekennzeichnet werden sollten.

BGH, Urteile vom 09. September 2021 – I ZR 90/20 (Influencer I), I ZR 125/20 (Influencer II), I ZR 126/20 (Influencer III)

Ausblick: Neuregelung zur Werbekennzeichnung für Influencer ist schon verkündet

Zwischenzeitlich ist der deutsche Gesetzgeber aktiv geworden und hat eine Neuregelung zum Influencer Marketing geschaffen, die am 28. Mai 2022 in Kraft treten wird. Sie ist enthalten im „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ >>) vom 10. August 2021.

Die Neuregelung sieht eine Änderung des UWG vor. In § 5a wird die bisherige Regelung in Absatz 6 zu Absatz 4 und wird um einen Satz 2 ergänzt, der lauten wird: „Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich verspreche lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.“ Influencer müssen im Fall einer Auseinandersetzung mit einem Wettbewerber oder Wettbewerbsverband über ihre Pflicht zur Werbekennzeichnung also künftig darlegen, dass sie für den konkreten Post keine Gegenleistung erhalten haben. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dafür eine eidesstaatliche Versicherung des Influencers ausreichen. Als Gegenleistung gälten, so der Gesetzentwurf, auch Provisionen, Produkte, die von dem fremden Unternehmen zugesandt wurden und die der Handelnde nutzen oder behalten darf sowie Pressereisen, Stellung von Ausrüstung oder Kostenübernahmen, auch über Dritte, sowie eine spätere Gegenleistung ( Gesetzentwurf vom 24.03.2021, BT-DrS. 19/27873, S. 34 ). Außerdem wird der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG geringfügig geändert.

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung des BGH Nr. 170/2021 >>

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