Dürfen Unternehmen besonders vorteilhafte Nährwerte aus der Nährwerttabelle herausgreifen und diese isoliert von der Tabelle angeben? Die Wettbewerbszentrale möchte diese Frage grundsätzlich klären und dadurch Rechtssicherheit für die Lebensmittelbranche schaffen.
Das LG München und das LG Heilbronn haben in zwei Verfahren der Wettbewerbszentrale zwei Molkereien untersagt, auf der Verpackung eines Lebensmittels den Proteingehalt in Gramm getrennt von der verpflichtenden Nährwertdeklaration anzugeben (LG München I, Urteil vom 28.07.2023, Az. 37 O 14809/22, nicht rechtskräftig; LG Heilbronn, Urteil vom 06.07.2023, Az. 21 O 7/23 KfH, nicht rechtskräftig).
I. Landgericht München
Sachverhalt
Auf dem Deckel des als „HIGH PROTEIN“ bezeichneten Milchreises fand sich die isolierte Angabe „14G PROTEIN*“. Eine Aufklärung des Sternchens erfolgte an keiner Stelle. Auf der Verpackungsseite wurde zusätzlich „14g PROTEIN pro Becher“ angegeben.
Die Wettbewerbszentrale sieht in der isolierten Proteinangabe außerhalb der vorgeschriebenen Nährwerttabelle einen Verstoß gegen Art. 30 Abs. 3 LMIV. Demnach können die folgenden Angaben wiederholt werden, wenn eine verpflichtende Nährwertdeklaration vorliegt:
„a) der Brennwert oder
b) der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz.“.
Eine Wiederholung des Proteingehaltes ist nach Auffassung der Wettbewerbszentrale nach dieser klaren Regelung gerade ausgeschlossen. Ein „Rosinenpicken“ besonders vorteilhafter Nährwertangaben soll nicht erfolgen. Der Verbraucher soll neutral über alle vorgeschriebenen Nährwertangaben zusammen aufgeklärt werden.
Die Gegenseite argumentierte, dass die getrennte Proteinangabe zulässig sei, wenn sie eine zugelassene nährwertbezogene Angabe wie „HIGH PROTEIN“ ergänze und berief sich auf eine Stellungnahme des ALS (Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit).
Zum Urteil
Das Gericht gab der Klage der Wettbewerbszentrale statt. Nach § 3a UWG, Art. 30 Abs. 3 LMIV sei die getrennte Proteinangabe grundsätzlich unzulässig. Eine Zulässigkeit folge auch nicht aus der HCVO. Die getrennten Proteinangaben seien schon keine nährwertbezogenen Angaben, sondern reine Beschaffenheitsangaben, da sie dem Produkt ohne Referenz zum Brennwert keine positive Nährwerteigenschaft zuschrieben. Die Angaben hätten aufgrund dessen auch nicht voraussichtlich dieselbe Bedeutung wie die Angabe „hoher Proteingehalt“ („HIGH PROTEIN“), die gerade vom Brennwert abhänge. Die Angabe auf dem Deckel sei zudem irreführend, da der Sternchenhinweis nicht aufgeklärt werde.
II. Landgericht Heilbronn
Sachverhalt
In dem Verfahren vor dem LG Heilbronn wurde auf einem „HIGH PROTEIN“ Grießpudding auf dem Deckel und auf dem Seitenetikett „40G1 PROTEIN“ sowie „1 Pro BECHER (500g)“ angegeben.
Zum Urteil
Das Gericht folgte auch hier der Argumentation der Wettbewerbszentrale und nahm einen Verstoß gegen § 3a UWG, Art. 30 Abs. 3 LMIV an. Eine Zulässigkeit ergebe sich auch nicht aus der HCVO aufgrund der zusätzlichen Angabe „HIGH PROTEIN“. Die Angabe 40g Protein habe gerade nicht dieselbe Bedeutung wie „HIGH PROTEIN“.
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Telefax: 06172-84422
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