Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 24.03.2016 das Verfahren ausgesetzt, mit dem die Wettbewerbszentrale klären lassen will, ob der Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln einer Zertifizierungspflicht durch die zuständigen Öko-Kontrollstellen unterliegt (BGH, Az. I ZR 243/14 – die Beschlussgründe liegen noch nicht vor). Der BGH hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Liegt ein im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 „direkter“ Verkauf an den Endverbraucher bereits vor, wenn der Unternehmer oder sein Verkaufspersonal dem Endverbraucher die Erzeugnisse ohne Zwischenschaltung eines Dritten verkauft, oder setzt ein „direkter“ Verkauf darüber hinaus voraus, dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt?“
Gegenstand des vom BGH zu beurteilenden Verfahrens war die Frage, ob Online-Händler, die Bio-Lebensmittel zum Verkauf anbieten, der Kontrollpflicht durch die zuständigen Öko-Kontrollstellen unterliegen. Nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen (EG-Öko-Verordnung) ist jeder Unternehmer, der Bio-Produkte erzeugt, aufbereitet, lagert, aus einem Drittland einführt oder in Verkehr bringt, verpflichtet, vor dem Inverkehrbringen von jeglichen Erzeugnissen seine Tätigkeit den zuständigen Behörden des Mitgliedsstaates, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, zu melden sowie sein Unternehmen dem Kontrollsystem zu unterstellen. Grundsätzlich ist nach der Vorschrift der gesamte Einzelhandel zur Zertifizierung verpflichtet. Deutschland hat jedoch von der in Art. 28 Abs. 2 der EG-Öko-Verordnung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Ausnahmevorschrift für den Einzelhandel zu schaffen. Diese Ausnahme ist in § 3 Abs. 2 Öko-Landbaugesetz (ÖLG) umgesetzt. Nach der Vorschrift ist der Einzelhandel von der Kontrollpflicht entbunden, wenn die Erzeugnisse „direkt“ an Endverbraucher oder –nutzer verkauft werden, sofern diese Unternehmer die Erzeugnisse nicht selbst erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als in Verbindung der Verkaufsstelle lagern oder solche Erzeugnisse nicht aus einem Drittland einführen oder solche Tätigkeiten durch einen Dritten ausüben lassen.
Die Wettbewerbszentrale ist der Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal „direkt“ beim Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln nicht erfüllt ist, da es gerade an einer direkten Verkaufshandlung unter Anwesenheit der Endverbraucher, wie sie beispielsweise im Supermarkt gegeben ist, fehlt. Dieser Ansicht haben sich u.a. auch das Oberlandesgericht Frankfurt, das Landgericht München sowie das Landgericht Flensburg angeschlossen. Die Pflicht zur Bio-Zertifizierung bedeutet für den Online-Handel neben wirtschaftlichen Folgen (Kosten für die Zertifizierung der Öko-Kontrollstellen) auch organisatorischen Aufwand. Letztendlich sollen die Verbraucher beim Handel von Bio-Lebensmitteln aber gerade vor Betrugsfällen geschützt werden, sodass dieser Aufwand nach Auffassung der Wettbewerbszentrale gerechtfertigt erscheint.
Es bleibt jetzt abzuwarten, wie der EuGH das Tatbestandsmerkmal „direkt“ in Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-Verordnung auslegt. Wann der EuGH mit einer Entscheidung für Rechtssicherheit sorgen wird, ist nicht absehbar.
(F 4 0844/12)
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Lebensmittel >>
News „Grundsatzentscheidung durch BGH erwartet“ vom 21.04.2015 >>
Urteil des OLG Frankfurt am Main (mit Login) >>
Urteil des LG München (mit Login) >>
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