Nachdem sich der Bundesgerichtshof in zwei Grundsatzentscheidungen zu Fragen der Kooperation zwischen Augenoptikern und Augenärzten geäußert hat (Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.07.2009, Az. I ZR 13/07, – Brillenversorgung, und Urteil vom 24.06.2010, Az. I ZR 182/08, – Brillenversorgung II) beschäftigte sich der Senat nunmehr mit ähnlicher Problematik in zwei weiteren Entscheidungen vom 13. Januar 2011, Az. I ZR 111/08 und 112/08, – Hörgeräteversorgung II.
In diesen Entscheidungen ging es um Zuweisungspraktiken zweier HNO-Ärzte an ein Hörgeräteakustikunternehmen mit einem entsprechenden Betrieb vor Ort. Dessen Mitbewerber hatte diese Praktiken beanstandet und die gerichtliche Durchsetzung mehrerer Unterlassungsansprüche betrieben. Die nun vorliegenden Urteile beinhalten nicht nur Auslegungsgrundsätze für das berufsrechtliche Zuweisungsverbot nach § 34 Abs. 5 der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die Bewertung von Zuweisungspraktiken bei unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung der Fachärzte am Hörgeräteakustikunternehmen. In beiden Fällen hob der Bundesgerichtshof die jeweiligen Entscheidungen der Vorinstanz im Wesentlichen auf und verwies den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Bei dieser Gelegenheit nahm der Bundesgerichtshof in einem sehr ausführlich begründeten Urteil wichtige Klarstellungen zur zukünftigen Rechtsanwendung vor.
- Berufswidrig i. S. des § 34 Abs. 5 Musterberufsordnung (MBO) verhält sich ein Arzt dann, wenn er Patienten an einen anderen Leistungserbringer „verweist“ und hierfür ein „hinreichender Grund“ nicht gegeben ist. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks dieser Norm, die zugleich eine Marktverhaltensregel i. S. des § 4 Nr. 11 UWG darstellt, hat der Bundesgerichtshof sich für eine weite Auslegung des Merkmals der „Verweisung“ ausgesprochen. Danach fällt hierunter jedes ärztliche Verhalten, welches von Patienten als Empfehlung interpretiert werden kann. Eine solche Verweisung soll nur dann nicht vorliegen, wenn der Arzt zuvor vom Patienten um eine Empfehlung gebeten worden ist.
- Aufbauend auf der vorangegangenen Rechtsprechung zur Brillenversorgung hat der Bundesgerichtshof weiter entschieden, dass ein hinreichender Grund für die Verweisung an einen bestimmten Hilfsmittelanbieter nur dann gegeben ist, wenn diese aus Sicht des behandelnden Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile in der Versorgungsqualität bietet. Generelle Erwägungen, die das Verbot in der Praxis letztlich leerlaufen ließen, können hier nach Auffassung des Gerichts nicht anerkannt werden. Dies gilt namentlich auch für eine in „langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit gewonnenen guten Erfahrung“ oder die „allgemein hohe fachliche Kompetenz eines Anbieters oder seiner Mitarbeiter“. Der Senat betont in Fortführung seiner Rechtsprechung zu anderen gesundheitswirtschaftlichen Bereichen abermals, dass das Verbot die Regel und die Rechtfertigung über eine hinreichende Veranlassung lediglich die Ausnahmesituation beschreibt, in der eine Zuweisung von Patienten zulässig sein kann. Mithin gelten für die betroffenen Berufsgruppen fortan einheitliche Auslegungsgrundsätze, was im Interesse der Rechtssicherheit zu begrüßen ist.
- Eine relativ strenge Handhabung der berufsrechtlichen Verbotsnormen lässt sich auch aus den vom Bundesgerichtshof gegebenen Auslegungshinweisen zum Verbot der Zuweisung von Patientinnen und Patienten gegen Entgelt i. S. des § 31 der MBO ablesen. Hier stellt der Senat klar, dass die unerlaubte Zuweisung gegen Entgelt nicht nur die Fälle der Überweisung von Arzt zu Arzt, sondern sämtliche Formen der Patientenzuführung an gesundheitliche Leistungserbringer erfasst. Insoweit kommt es zu einem Gleichklang zwischen dem Verweisungsbegriff des § 34 der Berufsordnung und demjenigen der unerlaubten Zuweisung in § 31 der Berufsordnung. Diese Klarstellung dient letztlich einer umfassenden Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit und schützt das Vertrauen der Patienten in eine von merkantilen Überlegungen freie ärztliche Berufsausübung.
- Präzisiert wurden letztlich auch die Kriterien zur Feststellung einer im Sinne des § 31 der MBO relevanten Vorteilsgewährung im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Arztes an kooperierenden Leistungserbringerunternehmen. So ist eine Verletzung dieses Verbots auf jeden Fall bei einer unmittelbaren Kausalität zwischen dem Volumen an Verweisungen und der Gewinnbeteiligung des Arztes anzunehmen. Auch die Beteiligung über allgemeine Gewinnausschüttungen am Erfolg eines Unternehmens schließt die Anwendung des Verbotes der Zuweisung gegen Entgelt keineswegs aus. So ist allein entscheidend, dass der Arzt für die Patientenzuführung an einen anderen Leistungserbringer einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt, was sich auch schon aus der Gesamthöhe der dem Arzt aus der Beteiligung zufließenden Vorteile ergeben kann.
Es bleibt abzuwarten, welche Feststellungen das Oberlandesgericht Celle zu den vom BGH noch für klärungsbedürftig gehaltenen Punkten trifft und welche Entscheidung es auf dieser Grundlage in den konkreten Fällen treffen wird.
pb
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