Der EuGH hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale entschieden, dass bei einem Werbeprospekt mit beigefügter Bestellpostkarte, der unter Regelung des Art. 8 Abs. 4 VRRL (2011/83/EU) fällt, nicht nur auf das Bestehen eines Widerrufsrechts hingewiesen werden muss, sondern auch vor dem Abschluss des Vertrags die Information über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts mitgeteilt werden müssen. Steht bei dem jeweiligen Kommunikationsmittel für die Darstellung eines Muster Widerrufsformulars nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung, muss die Information auf andere Weise in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung gestellt werden (EuGH, Urteil v. 23.01.2019, Rs. C-430/17 – Walbusch Walter Busch GmbH & Co. KG/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V.).
Zum Sachverhalt
Das beklagte Unternehmen hatte Werbeprospekte mit beiliegender Antwort- und Bestellkarte als Zeitschriftenbeilage verwendet. In den Prospekten wurde jedoch lediglich auf das Bestehen eines Widerrufsrechts hingewiesen, wobei wichtige Informationen, wie Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie Namen, Anschrift, Telefonnummer desjenigen, dem gegenüber der Widerruf zu erklären ist, genauso wie das Muster-Widerrufsformular, jedoch fehlten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in der Berufungsinstanz geurteilt, dass der alleinige Hinweis auf das gesetzliche Widerrufsrecht nicht ausreichend sei, sondern umfassend über das Widerrufsrecht informiert werden müsse (Urteil v. 18.02.2016, Az. I-15 U 54/15). Der BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Notwendigkeit der Widerrufsbelehrung und des Muster-Widerrufsformulars auf Bestellkarten oder Werbeprospekten vor (BGH, Beschluss v. 14.06.2017, Az. I ZR 54/16), zu denen der Generalanwalt des EuGH Stellung nahm (Schlussanträge des Generalanwalts v. 20.09.2018, Rs. C-430/17). Der EuGH folgte in seinem Urteil der Einschätzung des Generalanwalts.
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass bei über Fernkommunikationsmitteln geschlossene Verträge der Unternehmer gemäß Art. 8 Abs. 4 VRRL die Verpflichtung habe, vor Vertragsabschluss die in Art. 6 Abs. 1 VRRL genannten Informationen, wie u. a. über das Widerrufsrecht, zur Verfügung zu stellen. Dies solle den Schutz des Verbrauchers sicherstellen. Hierbei müsse im Einzelfall festgestellt werden, ob die geforderten Informationen objektiv im jeweiligen Werbematerial dargestellt werden können. Dabei seien die für den durchschnittlichen Verbraucher angemessene Mindestgröße des Schrifttyps, sowie der Raum und die Zeit, die von der Botschaft eingenommen werden, zu berücksichtigen. Dies müsse durch das nationale Gericht geprüft werden.
Für den Fall, dass der Raum nur begrenzt sei, müsse weiter geprüft werden, ob der Unternehmer gemäß Art. 8 Abs. 1, Abs. 4 VRRL dem Verbraucher die anderen in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Informationen auf andere Weise klar und verständlich erteilt habe. Hier sei der Unternehmer nicht verpflichtet, dem Verbraucher zeitgleich mit dem Einsatz dieses Kommunikationsmittels das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B dieser Richtlinie zur Verfügung zu stellen. Dieses Formular sei nicht geeignet, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen, einen Fernabsatzvertrag zu schließen. Ebenso würde eine Pflicht, dem Verbraucher dieses Formular unter allen Umständen zur Verfügung zu stellen, die Gefahr in sich bergen, dem Unternehmer eine unverhältnismäßige Last aufzuerlegen. Daher sei es ausreichend, wenn dies auf andere Weise in klarer und verständlicher Sprache geschehe.
Weiterführende Informationen
Urteil des EuGH im Volltext >>
Entscheidung der Vorinstanzen im Angebot der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.02.2016, Az. I-15 U 54/15 >>
BGH, Beschluss v. 14.06.2017, Az. I ZR 54/16 >>
(S 3 0929/14)
fw
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