Der BGH hat mit heutigem Vorlagebeschluss I ZR 186/17 dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen der DSGVO es verhindern, dass anspruchsberechtigte Verbände wie beispielsweise die Wettbewerbszentrale oder die Verbraucherzentralen Datenschutzverstöße mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts verfolgen. Anlass des Vorlagebeschlusses ist ein Verfahren eines Verbraucherschutzverbandes gegen die Facebook Ireland Limited (Facebook). Das Landgericht und in zweiter Instanz das Kammergericht Berlin haben Facebook jeweils verurteilt, es zu unterlassen, in einem App-Zentrum Online-Spiele so zu präsentieren, dass der Nutzer dann, wenn er das Spiel spielt, automatisch in verschiedene Datenverarbeitungsvorgänge einwilligt.
Datenschutzverstöße können als Verstöße gegen den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG von anspruchsberechtigten Verbänden, qualifizierten Einrichtungen und den Handwerks- und Industrie- und Handelskammern verfolgt werden (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG). Daneben können dieselben Akteure auch Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften des Datenschutzes nach dem Unterlassungsklagengesetz verfolgen (§§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 11, 3 UKlaG). Der EuGH hat mit Urteil C-40/17 vom 29. Juli 2019 entschieden, dass die Regelungen der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG einer Klagebefugnis von Verbänden nicht entgegenstehen. Unter der Geltung der DSGVO, welche mit Wirkung vom 25. Mai 2018 die Datenschutzrichtlinie ersetzt hat, ist jedoch umstritten, ob dies ebenfalls gilt. Teilweise wird argumentiert, die Artikel 77 bis 84 DS-GVO bildeten ein abschließendes Sanktionenregime, so dass Mitbewerber und Wettbewerbsverbände nicht klagebefugt seien.
Demgegenüber vertreten mehrere Oberlandesgerichte (OLG Hamburg, Urteil 3 U 66/17 vom 25.10.2018; OLG Naumburg, Urteil 9 U 6/19 vom 07.11.2019; Kammergericht Berlin, Urteil 5 U 9/18 vom 20.12.2019 – Vorinstanz zu der hier besprochenen BGH-Entscheidung; OLG Stuttgart, Urteil 2 U 257/19 vom 27.02.2020, WRP 2020, 509) die Auffassung, dass Wettbewerbsverbände weiterhin befugt sind, gegen Verstöße gegen die DSGVO vorzugehen. So hat zuletzt das OLG Stuttgart die Ansicht vertreten, die Rechtsdurchsetzung auf dem zivilen Rechtsweg werde durch die DSGVO in keiner Weise eingeschränkt.
Die DSGVO solle ersichtlich nur einen Mindeststandard für den Rechtsschutz betroffener Personen festlegen. Aus dem europäischen Gesetzgebungsverfahren lasse sich ersehen, dass die Regelungen über die Klagebefugnis in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten verbleiben sollten und der europäische Gesetzgeber in Gestalt des Art. 80 nur zusätzliche Möglichkeiten für die Mitgliedstaaten schaffen wollte, zusätzliche Klagebefugnisse einzurichten. Auch aus den Erwägungsgründen der DS-GVO gehe nicht hervor, dass Sanktionen und Rechtsdurchsetzung in der DS-GVO abschließend geregelt sein sollten. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber und Wettbewerbsverbände habe sich als schlagkräftiges Instrument bewährt. Da alle Ressourcen, auch die der zuständigen Aufsichtsbehörden, begrenzt seien, könnten die Mitbewerber und Wettbewerbsverbände auch bei der Überwachung der Datenschutzregelungen einen wesentlichen Beitrag leisten (OLG Stuttgart, a.a.O.). Die DSGVO schließe daher die Verfolgung von datenschutzrechtlichen Verletzungshandlungen durch andere als die „betroffenen Personen“ nicht aus (OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 36).
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des BGH vom 28.05.2020 >>
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Datenschutz/Online Marketing >>
Aus der Datenbank der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich):
Die Klagebefugnis für Verbraucherschutzverbände besteht nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG sowohl für UWG-Verstöße als auch für Datenschutzrechtsverstöße, KG Berlin, Urteil v. 20.12.2019, Az. 5 U 9/18 >>
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