Die Wettbewerbszentrale hat vor kurzem die Werbung eines Optikers für eine Prismenbrille für Kunden mit einer altersbedingten Makuladegeneration (AMD) beanstandet: Nach Einschätzung der Selbstkontrollinstitution suggerierte die betreffende Werbung die Ausübung von Heilkunde durch den Optiker. Außerdem erweckte die Werbung den Eindruck, die Brille könnte AMD-Patienten zu einem „besseren Sehen“ verhelfen, wofür es jedoch an einem wissenschaftlichen Nachweis fehlte.
Werbung suggerierte Ausübung von Heilkunde und „besseres Sehen“
Im Einzelnen behauptete der Optiker in an Augenärzte adressierten Werbeschreiben und auf seiner Homepage, dass er anhand von hochauflösenden Bildern der Netzhaut, die er selbst mit einer sog. Funduskamera anfertigt, bei Kunden mit einer AMD-Erkrankung bestimmen könnte, welche Bereiche der Netzhaut noch funktionieren. Mit der betreffenden Brille würde das Bild dann unter Einsatz von Prismen auf diese Bereiche verlagert und auf diese Weise „die Ausbildung eines neuen bevorzugten scharfen Sehbereiches (= PRL)“ unterstützt, „wo der Betroffene noch bestmöglich sieht und Dinge fixieren kann“. Außerdem behauptete er, dass seine auf diese Weise angefertigten Prismenbrillen Menschen mit Netzhauterkrankungen zu einem „besseren Sehen“ verhelfen könnten, weil mit ihnen „an dem geschädigten Bereich vorbei gesehen“ werden könnte.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete diese Werbung wegen der unzulässigen Ausübung von Heilkunde und Irreführung:
Verstoß gegen § 1 HeilprG
Zum einen ging die Wettbewerbszentrale angesichts der Beschreibung in der Werbung davon aus, dass mit der Anfertigung der Prismenbrille die Ausübung von Heilkunde und somit ein Verstoß gegen § 1 Heilpraktikergesetz (HeilprG) verbunden ist, wonach außer dem Arzt nur Personen mit einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HeilprG eine sog. Heilkunde ausüben dürfen. Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale handelte es sich bei der in der Werbung beschriebenen Unterscheidung der durch eine AMD geschädigten Netzhautbereiche von den nicht geschädigten und bei der Bestimmung des sog. bevorzugten Leseorts auf der Netzhaut um diagnostische Leistungen, die medizinische Fachkenntnisse erfordern.
Der Optiker wendete hiergegen ein, dass er keine diagnostischen Leistungen vornehme, sondern sich seine Tätigkeit in der (groben) Unterscheidung von auffällig aussehenden und nicht auffällig aussehenden Bereichen erschöpfe.
Dies konnte die Wettbewerbszentrale jedoch nicht überzeugen. Denn die Bilder einer Funduskamera liefern ihrer Einschätzung nach keine Messwerte oder klaren Diagnosen. Um geschädigte Bereiche identifizieren zu können, muss das Netzhautbild vielmehr mit Hilfe von medizinischer Sachkunde und Erfahrung analysiert und bewertet werden. So können Fundusbilder auch bei Patienten mit derselben Makulaerkrankung – und zum Teil sogar bei demselben Patienten zu verschiedenen Zeiten – sehr unterschiedlich aussehen. Der Umstand, dass ein Bereich der Netzhaut auffällig aussieht, bedeutet im Übrigen nicht zwingend, dass es sich um einen geschädigten Bereich handelt.
Schließlich drohte aus Sicht der Wettbewerbszentrale auch die Gefahr eines Gesundheitsschadens, weil der Einsatz von Prismen mit unterschiedlichen Achsen/Stärken Sehstörungen hervorrufen können, die mit einer Sturzgefahr einhergehen. Außerdem ist denkbar, dass Kunden aufgrund der Entscheidung für die Spezialbrille sinnvolle Therapiemaßnahmen gar nicht oder verzögert ergreifen.
Irreführende (Wirk-)Aussagen
Zum anderen waren die Werbeaussagen aus Sicht der Wettbewerbszentrale in mehrfacher Hinsicht irreführend. Einerseits vermittelte die Werbung den Eindruck, der Optiker könne vergleichbare Leistungen wie ein Augenarzt erbringen. Sie weckte damit Erwartungen hinsichtlich des dem Optiker möglichen (und erlaubten) Leistungsspektrums, die von dem werbenden Optiker nicht erfüllt werden konnten.
Außerdem suggerierte die Werbung aus Sicht der Wettbewerbszentrale, dass AMD Patienten mit der beworbenen Prismenbrille besser sehen könnten als mit konventionellen Brillen. Für diese Wirkungsbehauptung fehlt es jedoch nach Auffassung der Wettbewerbszentrale an einem wissenschaftlichen Nachweis. Studien legen vielmehr nahe, dass Prismenbrillen für AMD-Patienten nicht effektiver sind als konventionelle Brillen. Die Wettbewerbszentrale ging damit auch von einem Verstoß gegen das Irreführungsverbot des Art. 7 EU-Medizinprodukteverordnung aus, wonach Medizinprodukten in der Werbung keine Funktionen und Eigenschaften zugeschrieben werden dürfen, die sie nicht haben.
Die Angelegenheit konnte außergerichtlich beigelegt werden, weil der Optiker die von der Wettbewerbszentrale geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab und seine Internetwerbung änderte.
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitshandwerk >>
HH 2 0036/22
bb
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