In seiner Sitzung vom 6. Juli 2018 hat der Bundesrat eine Stellungnahme zum Entwurf einer Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher COM(2018) 184 final beschlossen (Bundesrat, Drucksache 155/18 (Beschluss) (2)>> ), die er direkt an die EU-Kommission übermittelt. Darin begrüßt er das verfolgte Ziel, „mit der Verbandsklage ein effizientes Instrument zur Verfügung zu stellen, um Verstöße gegen das Unionsrecht, die den kollektiven Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher schaden, zu unterbinden und von rechtswidrigen Praktiken abzuschrecken.“
Allerdings zeigt sich das Bundesorgan auch kritisch.
Er weist u.a. daraufhin, dass das Instrument der Verbandsklage auch zum Schaden der Wirtschaft missbraucht werden könne. Es müssten daher Maßnahmen zur Verhinderung dieses Missbrauchs getroffen werden. Als bedenklich erachtet der Bundesrat auch die Tatsache, dass eine Verbandsklage keine Mindestanzahl von betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern voraussetzen soll. Auch im Hinblick auf die Bindungswirkung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung äußert der Bundesrat Kritik. So müsse eine rechtskräftige Entscheidung zu Gunsten eines Unternehmens ebenso Bindungswirkung entfallen wie eine Entscheidung zu Lasten des Unternehmens. Außerdem lehnen die Länder die vorgesehene Verpflichtung der Unternehmen, Verbraucher über eine ergangene rechtskräftige Entscheidung zu informieren, ab, weil diese Informationspflicht Unternehmen überfordern würde.
Zum Hintergrund: Der „New Deal for Consumers”
Die EU-Kommission hatte am 11. April 2018 unter dem Titel „New Deals for Consumers“ zwei Richtlinienvorschläge veröffentlicht. Gegenstand der vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnahmen sind nicht nur punktuelle Änderungen des materiellen Rechts (insbesondere in Bezug auf die RL 2005/29/EG und die RL 2011/83/EU), sondern zusätzlich neue Vorgaben in Bezug auf die zu verhängenden Sanktionen. Für qualifizierte Einrichtungen sind zusätzlich zu den bisher bekannten Unterlassungsklagen auch kollektive Leistungsklagen (z. B. auf Entschädigungs-, Reparatur- oder Ersatzleistung) vorgesehen, RL-Vorschlag COM(2018) 184 final.
Kritik der deutschen Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft hatte in einer gemeinsamen Stellungnahme von neun Verbänden >> die unter dem Begriff „New Deal for consumers“ zusammengefassten Richtlinienvorschläge der EU-Kommission mit Sorge betrachtet und ebenfalls Kritik geäußert. An dieser gemeinsamen Stellungnahme hat sich auch die Wettbewerbszentrale beteiligt.
Stellungnahme der Wettbewerbszentrale bereits an Kommission übermittelt
Parallel dazu hat die Wettbewerbszentrale ihre eigene Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher an die EU-Kommission übermittelt. Nach eingehender Analyse sieht sie insbesondere kritisch, dass der Richtlinienvorschlag 2018/184 ein Verbandsklageverfahren vorsieht, um durch rechtsverletzende Praktiken betroffenen Verbrauchern Abhilfemaßnahmen zu gewähren. Der europäische Vorschlag sieht dabei kein zwingendes Mandat des Verbrauchers vor. Dieses ist aus Sicht der Wettbewerbszentrale jedoch unerlässlich, da mit der erweiterten Verbandsklage individuelle Ansprüche von Verbrauchern geltend gemacht werden sollen. Die obligatorische Einbeziehung aller betroffenen Verbraucher in die Verbandsklage lehnt die Selbstkontrollinstitution ab. Es muss jedem Verbraucher überlassen bleiben, ob er seine Ansprüche selbst durchsetzt, sich einer Verbandsklage anschließt oder von der Geltendmachung seiner Rechte absieht. Dem wird nur ein Opt-in-Modell gerecht.
Dem Richtlinienvorschlag der Kommission war im vergangenen Jahr eine Konsultation vorausgegangen, über die die Wettbewerbszentrale berichtet hatte, siehe News vom 06.09.2017 // Schärfere Sanktionen bei Verstößen gegen Verbraucherrechte im Fokus – Erinnerung: Stellungnahmen zur EU-Konsultation noch möglich >>.
Die in einem weiteren Richtlinienentwurf dokumentierten Pläne der Kommission, einzelne Richtlinien im Hinblick auf Sanktionen, individuelle Rechtsansprüche und materielle Vorgaben zu ändern, werden seitens der Wettbewerbszentrale in einer weiteren Stellungnahme ebenfalls kritisch beleuchtet.
Weiterführende Informationen
Bundesrat, Drucksache 155/18 (im Internetangebot des Bundesrates) >>
ug/jb/wn
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