Auf Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Koblenz einem Coachingdienstleister untersagt, die nachfolgenden Klauseln in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden oder sich bei der Abwicklung von Verträgen darauf zu berufen (Urteil vom 26.01.2021, Az. 3 HK O 19/20 – nicht rechtskräftig).
Eine Klausel lautete:
„Bewertungen (Sterne, Kommentare) innerhalb sozialer Medien (z.B. Google My Business) geben die Parteien nur im gegenseitigen Einvernehmen ab.“
Weiterhin behielt sich das Unternehmen vor, dass die Vertragspartner auf „erstes Anfordern“ eine über die Klauselverwenderin abgegebene Bewertung dauerhaft entfernen. Für den Fall, dass der Kunde nicht auf erstes Anfordern die beanstandete Bewertung/Kommentare entfernt, sollte eine Vertragsstrafe fällig werden.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete beide Klauseln als unwirksam, da die Klauselverwenderin über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen versuche, Einfluss auf Bewertungen zu nehmen, die ihre Kunden in sozialen Netzwerken über sie und ihre Dienstleistungen kundtun bzw. kundgetan haben. Die Bewertungen am 28.05.2020 auf der Plattform Trustpilot betrugen 4,9 von 5 möglichen Sternen. Von 748 abgegebenen Bewertungen waren 97% hervorragend, 3% gut, unter 1% ungenügend.
Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale sind die in Rede stehenden Klauseln geeignet, das Recht zur Abgabe von Kundenbewertungen, welches verfassungsrechtlich durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz gedeckt ist, einzuschränken. Vertragspartner werden durch die Klausel davon abgehalten Bewertungen abzugeben, die sich kritisch mit der Leistung der Beklagten auseinandersetzen. Damit greift die Klausel in den Kern der Meinungsäußerungsfreiheit ein. Ein Unternehmer muss sachlich gerechtfertigte Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen. So erlangte, nur einvernehmliche Bewertungen können auch irreführend sein. Sie sind mit ihrer Wirkung auf die Vertragsentscheidung von Marktteilnehmern geeignet, den fairen Wettbewerb zu beeinträchtigen.
Da die Unterlassungserklärung nicht abgegeben wurde, erhob die Wettbewerbszentrale Klage bei dem Landgericht Koblenz.
Das Landgericht Koblenz schloss sich der Auffassung der Wettbewerbszentrale an. Die Klauseln benachteiligten die Vertragspartner unangemessen, indem sie deren grundrechtlich geschützte Freiheit einschränken. Das Gericht führt u.a. aus, die von der Beklagten verwendeten Klauseln seien geeignet, die Abgabe von negativen Bewertungen zu verhindern. Kunden, die mit der Leistung der Beklagten nicht zufrieden seien, könnten von den Klauseln an der freien Meinungsäußerung gehindert werden. Sie könnten auch davon abgehalten werden, eine Bewertung abzugeben, wenn sie befürchten müssten eine Vertragsstrafe zu zahlen, für den Fall, dass sie ihre Bewertung nicht auf erstes Anfordern der Beklagten entfernen. Die Klauseln seien daher unwirksam.
Die Beklagte verschaffe sich mit den Klauseln eine Möglichkeit der Zensur und verstoße damit gegen das Verbot der irreführenden Werbung. Die Beklagte nehme unmittelbar Einfluss auf die von ihren Kunden abgegebenen Bewertungen. Solche Bewertungen seien nicht objektiv, was sich aber den Adressaten nicht erschließe und somit zu einer Irreführung dieses angesprochenen Verkehrskreises führe.
Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale kann ein solches Bewertungsergebnis massgeblich die Entscheidungsfindung eines Unternehmers für einen Auftrag zugunsten des bewerteten Marktteilnehmers beeinflussen. Bewertungen, die nicht auf unabhängigen und unbeeinflussten Meinungen von Kunden beruhen, sind daher geeignet in unlauterer Weise den fairen Wettbewerb zu Lasten der gesetzestreuen Mitbewerber zu beeinträchtigen.
Weiterführende Informationen
28.11.2018 // Wettbewerbszentrale geht gegen „gekaufte“ positive Kundenbewertungen vor >>
Aus der Datenbank der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
Amazon Marketplace Händler haften nicht für Aussagen in Kundenbewertungen, BGH, Urteil v. 20.02.2020, Az. I ZR 193/18 >>
DO 1 0010/20
es
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