Der BGH hat in einem Verfahren eines Verbrauchers gegen einen Verkäufer von Einbauküchen entschieden, dass dem Verbraucher bei einem an einem Messestand geschlossenen Kaufvertrag kein Widerrufsrecht zustehe (Urteil v. 10.04.2019, Az. VIII ZR 82/17). Bei dem Messestand handle es sich um einen beweglichen Gewerberaum, womit kein „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ vorliege.
Die Parteien hatten auf einer Publikumsmesse an einem Stand der Beklagten einen schriftlichen Kaufvertrag über eine Einbauküche geschlossen. Der Kaufvertrag enthielt keine Widerrufsbelehrung. Der Kläger widerrief seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung trotzdem. Die Beklagte machte daraufhin Ansprüche aus dem Vertrag geltend.
Eine Feststellungsklage des Klägers, dass der Beklagten keine Ansprüche aus dem Vertrag zustünden, war in den Vorinstanzen nicht erfolgreich (LG Schwerin, Urteil v. 29.11.2012, Az. 4 O 270/12; OLG Rostock, Urteil v. 14.03.2017, Az. 4 U 155/12). Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Nach Ansicht des BGH steht dem Kläger kein Recht nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zu, den Kaufvertrag zu widerrufen. Der Vertrag sei nicht außerhalb der Geschäftsräume der Beklagten geschlossen worden. Vielmehr handle es sich bei dem von der Beklagten betriebenen Messestand um einen „beweglichen Gewerberaum, an dem der Unternehmer seine Geschäfte für gewöhnlich ausübe“. Zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals habe der EuGH bereits ausführlich in einer anderen Entscheidung Stellung genommen.
Bei der Bewertung, ob es sich bei dem Messestand um einen solchen beweglichen Gewerberaum handle, sei zum einen der für den durchschnittlichen Verbraucher erkennbare Charakter der Messe und zum anderen das im Messekontext zu beurteilende konkrete Angebot der Beklagten maßgeblich. Bei der Messe handle es sich um eine klassische Verkaufsmesse. Angesichts dessen und der breit gefächerten, teilweise auch hochwertige Gegenstände umfassenden Produktpalette, habe das Angebot der Beklagten zum Kauf der Einbauküche für den Kläger nicht überraschend sein können. Der Messestand der Beklagten sei auch nicht als Informationsstand ausgestaltet gewesen und auch die Mitarbeiter der Beklagten hätten einen solchen Eindruck nicht vermittelt. Damit könne nicht von einer Überrumpelung des Klägers gesprochen werden. Die Frage, ob ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher angesichts der ihm erkennbaren Gesamtumstände vernünftigerweise hätte damit rechnen können, dass der Unternehme an dem Messestand eine Verkaufstätigkeit ausübe, sei auch unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob für den Kaufgegenstand ggf. weitere Maßnahmen, wie etwa das Aufmaß bei einer Küche, erforderlich seien.
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(lk/es)
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