Home News Keine Impfunfähigkeitsbescheinigung ohne ärztlichen Kontakt – OLG Celle bestätigt Auffassung der Wettbewerbszentrale

Keine Impfunfähigkeitsbescheinigung ohne ärztlichen Kontakt – OLG Celle bestätigt Auffassung der Wettbewerbszentrale

Das OLG Celle hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale die Berufung eines Unternehmens gegen ein Urteil des LG Stade zurückgewiesen

Das OLG Celle hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale die Berufung eines Unternehmens gegen ein Urteil des LG Stade zurückgewiesen (OLG Celle, Beschluss vom 23.05.2023, Az. 13 U54/22). Dieses hatte das Unternehmen und seinen Geschäftsführer verurteilt, es zu unterlassen, für Corona-Impfunfähigkeitsbescheinigungen zu werben, die ausgestellt werden, ohne dass ein unmittelbarer Kontakt zwischen ausstellender Ärztin und Patienten stattfindet, die Beurteilung der bescheinigten Impfunfähigkeit dementsprechend nicht auf der eigenen Wahrnehmung der die Bescheinigung ausstellenden Ärztin beruht. Auch die Abgabe der so ausgestellten Impfunfähigkeitsbescheinigungen hatte das Landgericht untersagt (LG Stade, Urteil vom 06.10.2022, Az. 8 O 31/22).

Verkauf von Impfunfähigkeitsbescheinigungen per Fernabsatz

Die Beklagte bewarb ihr Geschäftsmodell unter dem Motto „Bist du überhaupt impffähig?“. Die Bescheinigung könne man zum Beispiel dem Arbeitgeber vorlegen und sie nehme den Druck, sich voreilig impfen lassen zu müssen. Für eine einmalige „gutachterliche Stellungnahme“ berechnete die Beklagte 17, 49 Euro. Der Interessent musste dafür seine Daten hinterlegen und sich ein Video anschauen, in dem unter anderem über verschiedene Covid-19-Impfstoffe sowie deren Risiken und Nebenwirkungen berichtet wurde. Unter dem Button „Befragung“ konnte der Nutzer dann wählen, welchen der verfügbaren Impfstoffe er im Falle einer Covid 19 – Impfung wählen würde. Kreuzte er den Impfstoff „Corminaty (Biontech)“ an, so wurden die Inhaltsstoffe dieses Impfstoffes aufgeführt. Darauf folgte die Frage „Kannst du ausschließen, dass du gegen einen oder mehrere dieser Stoffe allergisch bist?“. Wählte der Nutzer die Auswahlmöglichkeit „Ich bin mir nicht sicher, ob ich auf einen der genannten Impfstoffe allergisch reagiere“, so erhielt er nach dem Anklicken eines Links eine „Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“, unterschrieben und abgestempelt von einer Ärztin, zu der während des gesamten Vorganges kein Kontakt bestand.

Impfunfähigkeitsbescheinigung: Allgemeine Information oder individuelle Diagnose?

Die Wettbewerbszentrale hatte beanstandet, dass die Werbung gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlung (§ 9 Heilmittelwerbegesetz – HWG-) verstoße. Die Ausgabe der Bescheinigungen sei unzulässig, weil zum Beispiel einem Arbeitgeber irreführenderweise vorgespiegelt werden solle, Arzt oder Ärztin habe aufgrund einer Untersuchung etwa eine Allergie gegen einen Impfstoff festgestellt. Die Beklagte meinte dagegen, die Werbung unterfalle als reine Vorbeugung und Verhütung von Krankheiten und sachliche Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen einer Impfung nicht dem HWG. Auch liege keine irreführende Werbung vor, da die vorläufigen und zeitlich begrenzten Bescheinigungen nicht den Eindruck erweckten, dass die ausstellende Ärztin die Patienten untersucht und befragt habe.

Kein allgemein anerkannter ärztlicher Standard

Mit Hinweisbeschluss vom 14.03.2023 legte das OLG Celle seine Rechtsauffassung dar. Es erwog, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen und gab den Beklagten weitere Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Beschluss vom 23.05.2023 wies der Senat die Berufung der Gegenseite entsprechend seinem Hinweisbeschluss zurück.

Die Internetseite des Unternehmens habe Verbrauchern den Eindruck vermittelt, eine individuelle Diagnose, ob bei ihnen Erkrankungen oder krankhafte Beschwerden einer Impfung entgegenstünden, zu erhalten. Darin sah das Gericht einen Verstoß gegen § 9 HWG. Den Beklagten warf der Senat vor, sie hätten nach wie vor nicht dargelegt, dass es einem allgemein anerkannten ärztlichen Standard von Allergologen entspreche, die Diagnose einer allergiebedingten Impfunfähigkeit allein auf der Grundlage einseitiger Online-Angaben des Patienten unter Verwendung von Buttons ohne ein persönliches Gespräch mit einem Arzt zu stellen. Auch könnten sich die Beklagten nicht auf § 7 Absatz 4 der Berufsordnung, die in diesem Fall einschlägig war, berufen. Die Vorschrift erlaube eine Fernbehandlung nur im Einzelfall, nach Einschätzung des Senats sollte die Online-Befragung aufgrund der Automatismen aber gerade ohne eine solche individuelle Prüfung stattfinden.

In seinem ausführlichen Hinweisbeschluss hatte der Senat auch den Anspruch der Wettbewerbszentrale auf Unterlassung der Ausgabe entsprechender Impfunfähigkeitsbescheinigungen erläutert. Auch diese widerspreche ärztlichem Berufsrecht.

Das Unternehmen hafte nach Auffassung des OLG für das berufsrechtswidrige Verhalten der Ärztin als Teilnehmer, denn „Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, drängt sich jedem Laien auf, dass ein Arzt standeswidrig handelt, der derartige gutachterliche Stellungnahmen unterschreibt, ohne jemals Kontakt oder – über diesen Satz hinaus – irgendwelche individuellen Kenntnisse von der betreffenden Person zu haben.“, so die Richter in der Begründung.

Zum Hintergrund: Aufgrund der Corona-Pandemie mussten bestimmte Personengruppen, etwa Angestellte in Krankenhäusern, Arztpraxen oder Pflegeheimen, seit dem 15.03.2022 ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen. Ausgenommen von der Impfpflicht waren Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 geimpft werden konnten und die entsprechende Bescheinigung vorlegten (§ 20a InfektionsschutzG, die Vorschrift wurde inzwischen gestrichen).

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