Das Landgericht München hat eine Augenklinik verurteilt, zukünftig nicht mehr mit einem kostenfreien „Eignungscheck“ für eine operative Korrektur der Fehlsichtigkeit zu werben oder einen solchen kostenlos durchzuführen (LG München I, Urteil vom 30.11.2016, Az. 37 O 7083/16, nicht rechtskräftig).
Die Augenklinik hatte im Internet damit geworben, dass sich viele ihre Patienten vor der Erstuntersuchung zu einem kostenlosen Eignungscheck, durchgeführt von speziell geschulten Patientenberatern, angemeldet hätten. Die Wettbewerbszentrale hatte dies als Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) beanstandet. Die Gegenseite argumentierte, dass der kostenlose Eignungscheck handelsüblich und außerdem einem Ratschlag ähnlich sei, so dass er unter die Ausnahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 HWG falle. Danach sind handelsübliche Nebenleistungen erlaubt. Auskünfte und Ratschläge stellen ebenfalls keine unzulässigen Zuwendungen dar.
Nach Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei der kostenlosen Durchführung des Eignungschecks um eine unzulässige Zugabe im Sinne des § 7 HWG. Die Durchführung und Bewerbung des Eignungschecks diene der Absatzförderung von Augenlaseroperationen. Derartige Zuwendungen sind aber nach § 7 HWG grundsätzlich unzulässig.
Ausnahmen von diesem Zuwendungsverbot liegen nach Auffassung des Landgerichts nicht vor:
Um eine „geringwertige Kleinigkeit“ nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG handele es sich nicht, da die Untersuchung in einem Sehtest bestehe und darüber hinaus abgeklärt werde, ob nicht bestimmte Hindernisse einer Laseroperation entgegenstünden. Der Eignungscheck habe daher einen erheblichen Gegenwert.
Es handelt sich bei dem Check nach Ansicht des Gerichts aber auch nicht um eine Auskunft oder einen Ratschlag. Es werde nämlich ein individueller Befund erhoben, der über einen bloßen Ratschlag hinausgehe.
Ebenso wenig sieht das Landgericht in dem Eignungscheck eine handelsübliche Nebenleistung. Dabei ist es nach Auffassung des Gerichts unerheblich, ob die Leistungen durch einen Arzt, einen Optiker oder einen „speziell geschulten Patientenberater“ durchgeführt werden.
Ausführlich hat sich die Kammer auch mit dem Argument der Gegenseite auseinandergesetzt, der Verbraucher sei daran gewöhnt, dass Augenoptiker im Vorfeld eines Brillenverkaufs kostenlose Sehtests durchführen. In den Entscheidungsgründen erläutert das Gericht, dass nach dem Gesetzeszweck des Heilmittelwerbegesetzes eine Differenzierung vorzunehmen sei. Es verweist darauf, dass es sich eben nicht um den Verkauf einer Brille oder von Kontaktlinsen handele, sondern um eine Augenlaseroperation, die einen ärztlichen Eingriff darstelle und mit höheren gesundheitlichen Risiken verbunden sei als der Einsatz einer Brille oder von Kontaktlinsen. Dementsprechend schutzwürdiger sei auch der von der Werbung angesprochene Verbraucher.
Zum Hintergrund:
Die Kosten für Augenlaseroperationen werden, wie etwa die Kosten für Schönheitsoperationen, von den gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen grundsätzlich nicht übernommen. Der Patient trägt die Kosten, die meist im vierstelligen Bereich liegen, selbst. Der Wettbewerb um Patienten läuft daher (auch) über den Preis. Ein beliebtes Marketinginstrument ist das Angebot kostenloser Eingangsuntersuchungen. Sie dienen letztlich als „Türöffner“ für die eigentliche Behandlung. Insofern handelt es sich bei dem der Entscheidung des Landgerichts München zugrundeliegenden Fall auch nicht um einen Einzelfall.
Weiterführende Informationen
News der Wettbewerbszentrale vom 31.08.2015 // Zuwendungsverbot im Gesundheitsbereich: Gerichte untersagen Werbung mit kostenlosen Arztleistungen >>
13.02.2015 // Kostenloser Fahrdienst einer Augenklinik eine handelsübliche Nebenleistung? >>
Überblick zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheit >>
F 4 0115/16
ck
Weitere aktuelle Nachrichten
-
Wettbewerbszentrale beanstandet unerlaubte Bewertungsaufforderungen
-
OLG Nürnberg: Referenzpreis muss unschwer zu ermitteln sein
-
Wettbewerbszentrale moniert Blickfangwerbung auf Tierfutterverpackungen als irreführend
-
Rückblick: Herbstseminar 2024 der Wettbewerbszentrale mit gelungenem Auftakt
-
EuGH: Ein gestiegener Preis kann kein „Highlight“ sein