Der EuGH hat entschieden, dass die Entfernung der Schutzfolie bei einer online gekauften Matratze nicht das Widerrufsrecht des Käufers ausschließt (Urteil v. 27.03.2019, Rs. C-681/17 – slewo // schlafen leben wohnen GmbH/Sascha Ledowski).
Sachverhalt
Ein Verbraucher hatte in einem Online-Shop eine Matratze gekauft. Nach Erhalt der Ware hatte er die Schutzfolie entfernt, mit der die Matratze geliefert worden war, um diese zu testen. Später wollte er die Ware zurückgeben, was der Verkäufer allerdings mit Verweis auf den Wortlaut des Art. 16 lit. e VRRL (2011/83/EU) verweigerte. Dagegen wandte sich der Käufer mit seiner Klage und war damit in den vorhergehenden Instanzen erfolgreich (AG Mainz, Urteil v. 26.11.2015, Az. 86 C 234/15; LG Mainz, Urteil v. 10.08.2016, Az. 3 S 191/15). Der Bundesgerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor (BGH, Beschluss v. 15.11.2017, Az. VIII ZR 194/16). Der Generalanwalt beim EuGH war der Auffassung, dass das Widerrufsrecht in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden könne, wenn die Matratze durch Reinigung wieder verkehrsfähig gemacht werden könne (Schlussanträge des Generalanwalts v. 19.12.2018, Rs. C-681/17). Der EuGH folgte in seiner Entscheidung dieser Einschätzung.
Die Entscheidung des EuGH
Der Europäische Gerichtshof führte aus, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen Situation eines Verkaufs im Fernabsatz schützen solle, in der er keine Möglichkeit habe, die Ware vor Vertragsabschluss zu sehen oder zu testen. Dieser Nachteil solle durch die erweiterte Bedenkzeit ausgeglichen werden, in der der Verbraucher die Möglichkeit haben solle, die Ware zu prüfen. Ein Widerrufsrecht gemäß Art. 16 lit. e VRRL sei nur dann ausgeschlossen, wenn die Ware nach Entfernung der Versiegelung aus echten Gründen des Gesundheitsschutzes oder Hygienegründen definitiv nicht mehr verkehrsfähig sei und es aufgrund ihrer Beschaffenheit keine Möglichkeit mehr gebe, um sie wieder zum Verkauf anzubieten, ohne hierdurch dem einen oder dem anderen dieser Ziele zuwiderzuhandeln.
Eine Matratze falle jedoch nicht unter diese Ausnahme, da nicht ersichtlich sei, dass sie nach entfernen der Folie nicht von einem Dritten wiederverwendet oder nicht erneut in den Verkehr gebracht werden könne. Es bestehe ein Gebrauchtmarkt für solche Waren und auch in Hotels nutzten aufeinanderfolgende Gäste die gleiche Matratze. Eine Matratze sei im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichzusetzen, also einer Warenkategorie, für die die Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe vorsehe. Auch hier bestehe direkter Kontakt dieser Waren mit dem menschlichen Körper. Daher könne davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer in der Lage sei, sie nach der Rücksendung mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde. Der Verbraucher hafte gemäß der Richtlinie für jeden Wertverlust einer Ware, der auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang zurückzuführen sei, ohne dass er deshalb sein Widerrufsrecht verliere.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des EuGH im Volltext >>
Vorabentscheidungsersuchen und Schlussanträge des Generalanwalts in dieser Sache im Angebot der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
BGH, Beschluss v. 15.11.2017, Az. VIII ZR 194/16
fw
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