Der Bundesgerichtshof hatte über die Zulässigkeit verschiedener in den Jahren 1999 und 2000 von der T-Online International AG, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, verwendeter Werbeaussagen zu entscheiden. Diese Aussagen hatte die Klägerin, ein zum weltweit tätigen Unternehmen America Online Inc. (AOL) gehörendes Konkurrenzunternehmen, als unlautere und irreführende Allein- und Spitzenstellungsbehauptungen angesehen und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung zur Unterlassung der Aussagen „T-Online ist Europas größter Onlinedienst“, „T-Online ist heute schon eines der weltweit größten Internetunternehmen“, „T-Online ist der größte Internet-Provider Europas“ und „Raten Sie mal, wer Europas größter Provider im Boom-Markt Internet ist! Ach, das wissen Sie schon! Na, dann ist’s ja gut! […] die T-Online Aktie kommt!“ durch das Berufungsgericht bestätigt.
Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung wies der I. Zivilsenat darauf hin, dass bei der Beurteilung einer Werbeaussage auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Adressaten der Werbung abzustellen sei, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat es der Bundesgerichtshof als nicht erfahrungswidrig gewertet, dass der Adressat der Werbung die Aussage bezüglich der Größe des Onlinedienstes nicht allein auf die Zahl der Kunden beziehe, sondern auch annehme, dass dieser Dienst am häufigsten und umfangreichsten benutzt werde. Letzteres treffe im zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu. Darüber hinaus erwecke die Beklagte mit den Aussagen auch den Eindruck einer entsprechenden Präsenz in europäischen Ländern, was aber ebenfalls nicht der Fall sei, da der Onlinedienst der Beklagten u.a. in Großbritannien und in Skandinavien nicht vertreten sei. Da die so verstandenen Aussagen unrichtig seien, seien sie irreführend i.S. des § 3 UWG.
Hinsichtlich weiterer angegriffener Werbeaussagen wie „T-Online ist der größte Online-Service Europas mit über … Kunden“, „T-Online ist Spitzenreiter in Europa“ und „im Internet liegen ungeahnte Chancen – für alle. T-Online ist Europas gefragtester Zugang zu dieser neuen Welt“ hat der Senat die Verurteilung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Insoweit hat er die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Aussagen ebenfalls irreführend seien, als erfahrungswidrig angesehen.
Urteil vom 17. Juni 2004 – I ZR 284/01
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 16.06.2004
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