In seinem vierten Urteil zum Influencer Marketing hat der Bundesgerichtshof Fragen zur Kennzeichnungspflicht bei kostenlosen Produkten und Leistungen entschieden. Der I. Zivilsenat wies die Revision der Influencerin Diana zur Löwen zurück (BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 – I ZR 35/21, Influencer III). In den Vorinstanzen hatte das Landgericht Köln die Influencerin auf Antrag eines Wettbewerbsvereins wegen drei Posts zur Unterlassung sowie zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt, und das OLG Köln hatte in zweiter Instanz die Berufung zurückgewiesen.
Der BGH hat in dem jetzigen Urteil geklärt, dass jeder geldwerte Vorteil, der in einem eindeutigen Zusammenhang mit einer Veröffentlichung besteht, zu einer Kennzeichnungspflicht des Influencers führt.
Im konkreten Fall ging es um drei Posts der Influencerin: Der erste Post zeigte sie in einer Jacke und kurzen Hosen im herbstlichen Wald, der zweite vor einem neutralen Hintergrund in einem weiten Pullover und einem Rock, der dritte auf dem Oktoberfest im Dirndl. Die Begleittexte befassten sich mit den getragenen Kleidungsstücken, erwähnten eine Zeitschrift, den Fotografen, den Make-Up-Artist und eine Kosmetikfirma bzw. teilten mit, dass die Influencerin so eine schöne Zeit gehabt habe und zwei namentlich erwähnten Unternehmen für das traumhafte Outfit danke. Es waren jeweils die Instagram-Profile mehrerer Unternehmen vertaggt.
Wie schon in den Entscheidungen „Influencer I“ und „Influencer II“ prüft der BGH die geschäftliche Tätigkeit der Influencer aus zwei verschiedenen Blickrichtungen, und zwar nacheinander und getrennt:
Vorliegen einer eigennützigen Tätigkeit des Influencers
Zuerst prüft der BGH, ob die eigennützige Tätigkeit des Influencers als geschäftliche Handlung i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG anzusehen ist. Hierzu hält er fest, dass Influencer, die selbst Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder das eigene Image vermarkten und durch Werbeeinnahmen kommerzialisieren, unternehmerisch handeln. Sie förderten ihr eigenes Unternehmen, weil durch den Betrieb eines Instagram-Profils ihre Bekanntheit und ihr Werbewert gesteigert und das Interesse von Drittunternehmen an einer Kooperation geweckt würden. Hierbei komme es nicht darauf an, dass Influencer auch redaktionelle Beiträge veröffentlichten. Denn auch die Veröffentlichung redaktioneller Beiträge diene vorrangig dem Ziel, geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern in Bezug auf Produkte des eigenen Unternehmens zu beeinflussen. Vorliegend bejaht der BGH mit Blick auf Frau zur Löwens Influencer-Tätigkeit die Eigennützigkeit. (Zur Abgrenzung Anmerkung eigennütziger Tätigkeit von redaktionellem Pressehandeln s.u. Anmerkung 1 >>).
Fremdnützige geschäftliche Handlung zugunsten erwähnter oder vertaggter Produkte
Anschließend bewertet der BGH, ob die jeweiligen konkreten Instagram Posts fremdnützige geschäftliche Handlungen zugunsten vertaggter oder erwähnter fremder Produkte, Marken und Dienstleistungen sind. Auch dies bejaht der BGH vorliegend. Bei der Prüfung solcher fremdnütziger Posts komme es darauf an, ob der konkrete Post einen werblichen Überschuss enthält. Dabei könne auf die Kriterien zurückgegriffen werden, die für die Einordnung scheinbar redaktioneller Presseartikel als werblich entwickelt worden sind. Es komme also darauf an, ob der konkrete Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, also einen werblichen Überschuss enthält, sodass die Förderung fremden Wettbewerbs eine größere als nur notwendigerweise begleitende Rolle spielt (BGH Influencer I, Rn. 60). Das entscheide sich anhand einer objektiven Beurteilung des äußeren Erscheinungsbilds der Publikation aus Sicht eines durchschnittlichen Adressaten. Hierbei komme es darauf an, ob der Beitrag ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge lobend hervorhebe, sodass das Produkt aus Sicht der Adressaten empfohlen werde, ob er fremde Produkte oder Dienstleistungen namentlich nenne und anpreise, ob die Darstellung damit den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlasse oder Produkte in werbetypisch euphorischer Weise angepriesen werden (BGH, Influencer I, Rn. 61). ( Zur Verwendung von Tap Tags als Indizien s.u. Anmerkung 2 >>).
Auch im aktuellen Urteil „Influencer III“ hat der BGH einen solchen werblichen Überschuss bejaht. Er folge daraus, dass die Beklagte mit Tap Tags auf die Instagram-Profile verschiedener Unternehmen verlinke und dafür kein erkennbarer redaktioneller Anlass bestehe.
Geschäftliche Handlung führt als solche nicht schon zur Kennzeichnungspflicht
Aus Sicht der Praxis ist dazu anzumerken, dass aus der Bejahung einer geschäftlichen Handlung – sei sie eigennützig, oder sei sie fremdnützig – erst einmal nur folgt, dass der Influencer mit seiner Tätigkeit im Anwendungsbereich des UWG ist.
BGH klärt Details zur Gegenleistung, die zur Kennzeichnungspflicht führt
Im zweiten Prüfungsschritt prüft der BGH dann, ob aus der eigennützigen und/oder fremdnützigen geschäftlichen Tätigkeit des Influencers im konkreten Fall eine Kennzeichnungspflicht als Werbung erwächst.
Hierzu hat der BGH in den Entscheidungen I ZR 125/20 (Influencer II) und I ZR 126/20 festgehalten, dass Influencer ihrer eigennützige geschäftliche Tätigkeit dann nicht kennzeichnen müssen, wenn sie aus den Umständen für durchschnittliche Instagram-Nutzer offensichtlich ist. Aus diesen Entscheidungen ergibt sich, dass bei typischen Posts professionell auftretender Influencer mit einem verifizierten Profil und einer hohen Zahl an Followern der angesprochene Verkehr (auch) erwachsener Nutzer auf einer geschlossenen Plattform wie Instagram weiß, dass es sich um kommerzielle Inhalte zur Eigenwerbung handelt. Solche Eigenwerbung muss nicht gekennzeichnet werden.
Ohrringe…
Bei Posts, mit denen der Influencer den Absatz fremder Marken, Produkte und Dienstleistungen fördert, besteht eine Kennzeichnungspflicht nur dann, wenn der Influencer eine Gegenleistung erhalten hat. Hierzu klärt der BGH in der aktuellen Entscheidung „Influencer III“, dass auch Produkte, die das Unternehmen einem Influencer kostenlos zur Verfügung stellt, eine Gegenleistung sind. Konkret hatte die Beklagte ein Paar Ohrringe von einem Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommen und vertaggte in einem der Posts das Instagram-Profil dieses Unternehmens. Nach den Ausführungen des BGH muss kein ausdrücklicher Vertrag geschlossen worden sein; das Zusenden des Produkts in der Erwartung einer Berichterstattung genügt. Eine Geringwertigkeitsschwelle gilt hierbei nicht (Rn. 63-66 und 75-76).
…Hairstyling und Fotoshooting lösen jeweils Kennzeichnungspflicht aus
In der Entscheidung „Influencer III“ klärt der BGH schließlich auch, dass auch Leistungen wie ein unentgeltliches Hairstyling und ein Fotoshooting als Gegenleistungen anzusehen sind. Der BGH hat hierbei darauf abgestellt, dass der Influencerin diese Leistungen von einem Verlag zugewandt wurden. Daher entstand die Kennzeichnungspflicht im konkreten Fall daraus, dass die Influencerin ein Instagram-Profil des Verlags vertaggte.
Auch zu einem dritten Post hat der BGH festgehalten, dass die Beklagte, die Kleidungsstücke und Accessoires von zwei vertaggten Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommen hatte, den Post als Werbung hätte kennzeichnen müssen. (Zur Gegenleistung siehe auch Anmerkung 3) unten >>).
Details zur Kennzeichnung weiterhin ungeklärt
Die Entscheidung enthält dagegen keine Ausführungen dazu, an welcher Stelle und auf welche Weise entgeltliche Posts gekennzeichnet werden müssen.
Weitere BGH-Entscheidung in Sachen Influencer-Marketing
Zwischenzeitlich liegt auch die fünfte BGH-Entscheidung in Sachen Influencer vor, mit der der BGH die Revision der Influencerin Vanessa Lock gegen das Berufungsurteil des OLG Koblenz zurückgewiesen hat (BGH, Urteil vom 13.01.2022 – I ZR 9/21). Dabei ging es um einen Instagram-Post, der Frau Lock in einem Friseursalon zeigt, wobei das Instagram-Profil des Friseursalons in einem Tap-Tag verlinkt war. Die beklagte Influencerin hatte eine Werbepartnerschaft mit dem Friseursalon; außerdem hatte sie Friseurdienstleistungen im zeitlichen Zusammenhang mit den beanstandeten Beiträgen gratis erhalten. Der BGH hat die Beurteilung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerfrei bestätigt, dass die Werbekennzeichnung im Fließtext des Instagram-Beitrags, die weder in Farbe noch Schriftbild hervorgehoben erfolgte, zur Kenntlichmachung des fremdnützigen kommerziellen Zwecks nicht ausreichend war.
Weiterführende Informationen
Anmerkung 1) zur Abgrenzung eigennütziger Tätigkeit von redaktionellem Pressehandeln:
Nähere Ausführungen zur Abgrenzung von einem redaktionellen Pressehandeln finden sich in der Entscheidung „Influencer I“ (Urteil vom 09.09.2021 – I ZR 90/20). Dort hält der BGH fest, dass bei der Influencer-Tätigkeit die Förderung eigenen Wettbewerbs im Vordergrund steht. In Bezug auf die Influencerin Luisa-Maxime Huss hatte der BGH dort ausgeführt, die Beklagte nutze die über Instagram gewonnene Gefolgschaft zur Steigerung ihres Produktabsatzes (BGH a.a.O., Rn. 45 – Influencer I). Daran könnten auch solche Posts nichts ändern, die vermeintlich private Seiten des Influencers zeigten, weil der Influencer damit das Ziel verfolge, glaubhafter, nahbarer und sympathischer zu wirken und auch damit sein Unternehmen fördere.
Anmerkung 2) zur Verwendung von Tap Tags:
In der aktuellen Entscheidung „Influencer III“ führt der BGH aus, dass Tap Tags in einem Beitrag, die direkt in den werblichen Einflussbereich des Herstellers verlinken, einen werblichen Überschuss begründen. Gleiches gelte für Tap Tags, die keinen erkennbaren Bezug zu dem Text oder Bildbeitrag haben (BGH, Influencer I, Rn. 66). Dabei komme es nicht darauf an, ob die verlinkte Internetseite des Herstellers einen Erwerb der Produkte unmittelbar ermögliche (Influencer I, Rn. 67). Ausreichend sei, dass der Zugang des Verbrauchers zu den Produkten des Drittunternehmens erleichtert und beschleunigt werde. Die Frage des werblichen Überschusses sei anhand einer Gesamtwürdigung des Posts zu treffen; hier komme es auf das Zusammenwirken eines geposteten Produktfotos, eines etwaigen redaktionellen Kontexts und einer Verlinkung an.
Anmerkung 3) zur Gegenleistung:
Bei den Ausführungen zur Gegenleistung nimmt der BGH auch die aktuelle Entscheidung des EuGH zu Nr. 11 der sog. Blacklist im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG in Bezug (EuGH, Urteil vom 02.09.2021 – C-371/20 – Peek & Cloppenburg). Er hebt dabei hervor, dass auch diese Regelung, die das Verbot bezahlter redaktioneller Werbung enthält, den gleichen Schutzzweck wie die im konkreten Fall angewandten Regelungen aus dem UWG und dem Medienrecht hat. In der dortigen Entscheidung hatte der EuGH festgehalten, dass auch urheberrechtliche Nutzungsrechte an einer Fotografie eine „Bezahlung“ i.S. der Nr. 11 der Blacklist darstellen können, weil sie einen Geldwert haben und der Verkaufsförderung der Produkte dienen. Demgemäß könnte eine Gegenleistung, die eine Kennzeichnungspflicht des Influencers auslöst, auch schon im Zurverfügungstellen von Bildmaterial aus einem gemeinsamen Foto-shooting liegen, bei dem dem Influencer urheberrechtliche Nutzungsrechte eingeräumt werden. In Rn. 63 des aktuellen Urteils hält der BGH fest, dass der Schutzzweck, das Vertrauen von Verbrauchern in die Neutralität redaktioneller Inhalte zu schützen und versteckte Werbung im Interesse der Verbraucher und Wettbewerber zu verhindern, nur erreicht werden kann, wenn auch jeder geldwerte Vorteil in Form von Gegenständen oder Dienstleistungen, bei dem ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Bezahlung und der Veröffentlichung besteht, als „Bezahlung“ aufgefasst wird. Dies deutet auf ein weites Verständnis der Gegenleistung hin.
mb
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