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Wettbewerbszentrale lässt Werbung für Biozidprodukt mit „hautfreundlich“ gerichtlich überprüfen – aktuell Klage wegen Werbung für Desinfektionsschaum eingereicht

Die Wettbewerbszentrale hat jüngst die Werbung für die Neueinführung eines Desinfektions-Hand-Schaumes beanstandet.

Die Wettbewerbszentrale hat jüngst die Werbung für die Neueinführung eines Desinfektions-Hand-Schaumes beanstandet. In Anzeigen, die in einer Zeitschrift für den Lebensmitteleinzelhandel geschaltet waren, wurde unter anderem mit Aussagen geworben, dass das Produkt „sanft zur Haut“ und eine „hautfreundliche Produktlösung“ sei und 100% der Konsumenten die „Hautverträglichkeit“ bestätigten. Die Wettbewerbszentrale vertritt die Auffassung, dass die Aussagen gegen die Vorgaben der Biozidverordnung verstoßen. Da das Unternehmen, das deutsche Tochterunternehmen eines schwedischen Konzerns, sich außergerichtlich nicht zur Unterlassung verpflichtete, hat die Wettbewerbszentrale nunmehr beim Landgericht Mannheim Unterlassungsklage eingereicht.

Rechtlicher Hintergrund: Biozidverordnung regelt Werbung

Desinfektionsmittel, die Bakterien, Viren, Pilze etc. entfernen sollen, sind sogenannte Biozide. Zur Produktgruppe der Biozide gehören aber auch zum Beispiel Insektizide, Schimmelentferner und Mäuseköder. Für diese Produkte gilt die Biozidverordnung, die sowohl für die Etiketten als auch die Werbung vorschreibt, mit welchen Aussagen nicht geworben werden darf. So heißt es etwa in Artikel 69 der Verordnung, dass das Etikett hinsichtlich der Risiken des Produktes für die Gesundheit von Mensch und Tier nicht irreführend sein dürfe. Als unzulässige Angaben sind explizit genannt „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder „ähnliche Hinweise“. Eine fast gleichlautende Regelung enthält Artikel 72 der Verordnung für die Werbung. Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es sich bei Bioziden um Produkte handelt, die Schädlinge abtöten, damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Die Produkte sollen deshalb in der Werbung nicht verharmlost werden.

Unternehmen lehnt Umstellung der Werbung ab

Das Unternehmen hat es auf die Beanstandung der Wettbewerbszentrale hin abgelehnt, die Werbung zu ändern. Es hat vorgetragen, die Werbung sei nicht irreführend. Bei den verwendeten Begriffen handele es sich auch nicht um solche, die „ähnlich“ den nach der Biozidverordnung ausdrücklich verbotenen seien; sie suggerierten keine Harmlosigkeit. Die Wettbewerbszentrale wird daher klären lassen, ob die Aussagen in der Werbung für Desinfektionsmittel verwendet werden dürfen.

Wettbewerbszentrale führt bereits mehrere Prozesse wegen Biozid-Werbung

Seit Anfang 2020 bis heute hat die Wettbewerbszentrale in 41 Fällen Werbung für Biozide beanstandet (2020 27 Beschwerden, 2021 bislang 14 Beschwerden). In der überwiegenden Zahl der Fälle verpflichteten sich die Unternehmer, die beanstandete Werbung abzustellen. In acht Fällen kam es nicht zu einer außergerichtlichen Lösung, so dass die Wettbewerbszentrale jeweils Klage eingereicht hat.

In vier Fällen gibt es bereits Entscheidungen: In einem Verfahren hat das LG Karlsruhe einer Drogeriemarktkette untersagt, für ein Desinfektionsmittel mit u.a. „hautfreundlich“ oder „Bio“ zu werben (LG Karlsruhe, Urteil vom 25.03.2021, Az. 24 O 61/20, nicht rechtskräftig). In einem Fall wurde einem Unternehmen untersagt, mit einem Siegel für sein Desinfektionsmittel zu werben, das dem Produkt tatsächlich nicht verliehen wurde (LG Frankfurt, Urteil vom 26.10.2020, Az. 3-10 O 70/20). In einem weiteren Verfahren hat die Gegenseite den Unterlassungsanspruch noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung anerkannt (LG Heidelberg, Anerkenntnisurteil vom 16.06.2021, Az. 11 O 9/21). Allerdings war das hier beworbene Desinfektionsmittel ausnahmsweise als Arzneimittel eingestuft und es fehlten die für Arzneimittel entsprechend vorgesehenen Pflichthinweise (§ 4 HWG). Auch Produkte zur Mardervergrämung sind Biozide und unterfallen den oben genannten Werbevorgaben. Für sie darf daher nicht mit den Angaben geworben werden, sie seien „artgerecht“ oder „ungefährlich für Mensch und Tier“ (LG Kiel, Versäumnisurteil vom 18.03.2021, Az. 15 HKO 79/21).

In den noch laufenden Verfahren geht es um Aussagen wie „Haut-, Augen- und schleimhautverträglich“ oder Aussagen, die auf eine Umweltfreundlichkeit der Desinfektionsmittel Bezug nehmen. Die Wettbewerbszentrale will mit diesen Verfahren eine Klärung für Unternehmer erreichen, wo die Grenzen der Zulässigkeit von Werbeaussagen für Biozidprodukte verlaufen.

ck

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