Da eine nicht unerhebliche Zahl von Kfz-Versicherungen bei der Regulierung von Steinschlagschäden ihre Abrechnungspraxis geändert hat, rät die Wettbewerbszentrale zu einem vorsichtigen Umgang mit der Werbung für eine „kostenlose“ Steinschlagreparatur teilkaskoversicherter Fahrzeuge.
Nach § 13 Absatz 10 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) ersetzt eine Versicherungsgesellschaft im Rahmen einer Teilkaskoversicherung den „Schaden abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung“. In der Regel wird ein Betrag von 150 € vereinbart.
In der Vergangenheit verzichteten fast alle Kfz-Versicherungen auf die Erstattung des Selbstbehalts aus dem Versicherungsvertrag, wenn der Kunde die Scheibe an seinem Fahrzeug – sofern möglich – reparieren ließ. Eine solche Reparatur ist in aller Regel möglich, solange sich die Schadstelle nicht im Fahrersichtfeld befindet, nicht größer als eine 2 €-Münze ist und/oder weniger als 10 cm vom Scheibenrand entfernt liegt.
Durch den Verzicht auf die 150 € wollten die Versicherungsgesellschaften einen Anreiz für den Kunden schaffen, die Scheibe reparieren zu lassen, was bis zu 150 € kostet. Ein Scheibenaustausch dagegen ist erheblich teurer als nur 150 €, auch wenn der Kunde sich dann mit 150 € an den Kosten beteiligen muss. Für den Kunden gibt es sonst nämlich keinen Grund, warum er die Scheibe an seinem Fahrzeug für 150 € reparieren lassen soll, wenn er für das gleiche Geld die Scheibe komplett ersetzt bekommt.
Die Kostenlosigkeit der Steinschlagreparatur beruhte mithin auf reiner Kulanz seitens der Versicherungsgesellschaften.
Im Verlauf des Jahres 2009 gingen der Wettbewerbszentrale mehr und mehr Beschwerden zu, die die Werbung mit einer „kostenlosen“ Steinschlagreparatur bei teilkaskoversicherten Fahrzeugen betrafen. Sowohl reine Autoglas- und andere Kfz-Werkstätten als auch Verbraucher beschwerten sich jeweils darüber, dass die Versicherungsgesellschaft auf der Erstattung des Selbstbehalts aus dem Versicherungsvertrag durch den Kunden bestanden hatte.
Die Versicherungsgesellschaften zeigen sich in der Tat immer weniger kulant. Dies hängt damit zusammen, dass sie vermehrt mit einzelnen Werkstätten Abkommen mit Konditionen aushandeln, die für sie im Ergebnis noch kostengünstiger sind. Sehr oft beinhaltet heute bereits der Versicherungsvertrag eine sog. Werkstattbindung, die den Kunden verpflichtet, sein Fahrzeug in einer ihm von der Versicherungsgesellschaft benannten Werkstatt reparieren zu lassen. Doch auch bei Versicherungsverträgen ohne eine sog. Werkstattbindung verzichten die Versicherungsgesellschaften häufig nur auf die 150 €, wenn der Kunde die Scheibenreparatur in einer bestimmten Partnerwerkstatt durchführen lässt.
Reine Autoglas- und andere Kfz-Werkstätten, die auch künftig mit einer „kostenlosen“ Steinschlagreparatur von teilkaskoversicherten Fahrzeugen werben wollen, sollten berücksichtigen, dass dies nur möglich ist, wenn entsprechende Absprachen mit den jeweiligen Versicherungsgesellschaften getroffen wurden. Gegebenenfalls muss bereits in der Werbung darauf hingewiesen werden, um welche Versicherungsgesellschaft(en) es sich handelt. Andernfalls rät die Wettbewerbszentrale dringend davon ab, weiterhin mit einer kostenlosen Steinschlagreparatur von teilkaskoversicherten Fahrzeugen zu werben, um sich nicht dem Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit auszusetzen, da der Kunde gegebenenfalls über den von ihm für die Scheibenreparatur zu zahlenden Preis i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG irregeführt wird. Die Werbung ist zugleich wettbewerbswidrig nach § 3 Abs. 2 UWG, da die vermeintliche Kostenlosigkeit der Steinschlagreparatur dazu geeignet ist, die Entscheidung des Verbrauchers bei der Wahl der Werkstatt spürbar zu beeinträchtigen. Er wird die Werkstatt auswählen, die ihm verspricht, die Scheibe an seinem Fahrzeug für ihn kostenfrei zu reparieren. Die beanstandete Werbung ist auch wettbewerbswidrig nach § 3 Abs. 1 UWG, da zugleich eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen konkurrierender Werkstätten gegeben ist, die wettbewerbsgemäß werben und dadurch vom Kunden deswegen, weil er weiß, dass er hier für die Steinschlagreparatur bezahlen muss, nicht ausgewählt werden.
Nicht ausgeschlossen ist, dass schließlich auch die Nr. 21 der Blacklist aus dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG greift, nach der eine Werbung für eine kostenlose Ware oder Leistung als „gratis“, „kostenfrei“ usw. per se nach § 3 Abs. 3 UWG wettbewerbswidrig ist, wenn gleichwohl Kosten vom Verbraucher zu tragen sind.
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