Home News Urteil des EuGH im „Kulturchampignon“-Verfahren am 04.09.2019

Urteil des EuGH im „Kulturchampignon“-Verfahren am 04.09.2019

Ein Fall, der die Wettbewerbszentrale seit nunmehr fast sechs Jahren beschäftigt hat, steht kurz vor dem Ende: Der EuGH wird am 04.09.2019 sein Urteil im Vorabentscheidungsverfahren zur Kennzeichnung von Kulturchampignons verkünden. Damit wird er Antworten auf die Frage geben, ob die Kennzeichnung einer Verpackung frischer Kulturchampignons mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ zulässig ist, wenn die Pilze in den Niederlanden aufgezogen und nur für die Ernte nach Deutschland verbracht werden. Diese Kennzeichnung hält die Wettbewerbszentrale für irreführend.

Ein Fall, der die Wettbewerbszentrale seit nunmehr fast sechs Jahren beschäftigt hat, steht kurz vor dem Ende: Der EuGH wird am 04.09.2019 sein Urteil im Vorabentscheidungsverfahren zur Kennzeichnung von Kulturchampignons verkünden (Rs. C-686/17). Damit wird er Antworten auf die Frage geben, ob die Kennzeichnung einer Verpackung frischer Kulturchampignons mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ zulässig ist, wenn die Pilze in den Niederlanden aufgezogen und nur für die Ernte nach Deutschland verbracht werden. Diese Kennzeichnung hält die Wettbewerbszentrale für irreführend.

Urteil des OLG Stuttgart
In der Berufungsinstanz hatte das OLG Stuttgart entschieden, dass Kulturchampignons gemäß Art. 23 Zollkodex auch dann nur mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ zu versehen seien, wenn die Champignons lediglich für die Ernte nach Deutschland gefahren werden und die Aufzucht in den Niederlanden stattgefunden habe (Urteil v. 10.03.2016, Az. 2 U 63/15). Für eine zusätzliche Kennzeichnung mit Hinweisen auf die Aufzucht in den Niederlanden bestehe nach Auffassung des Berufungsgerichts keine gesetzliche Grundlage, obwohl das Gericht selber eine Irreführung der Verbraucher angenommen habe.

BGH: Vorlage an den EuGH
Die Wettbewerbszentrale hatte die von dem OLG Stuttgart zugelassene Revision eingelegt, um für die Branche klären zu lassen, welches Ursprungsland bei Kulturchampignons anzugeben ist und ob tatsächliche eine Irreführung der Verbraucher hinzunehmen ist. Sie hält die Angabe mit „Ursprung: Deutschland“ für nicht verpflichtend. Für das Ursprungsland sei daher maßgebend, wo das Erzeugnis aus Sicht des Verkehrs seine wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhalte. Für Verbraucher komme es bei Lebensmitteln entscheidend darauf an, ob die Produkte aus Deutschland stammen. Auch habe der Gesetzgeber im Hinblick auf die Pflicht zur Angabe des Ursprungslandes keine Irreführung von Verbrauchern in Kauf nehmen wollen.

Da es um die Auslegung europarechtlicher Vorschriften geht, hat der BGH das Revisionsverfahren im September 2017 ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss v. 21.09.2017, Az. I ZR 74/16 – Kulturchampignons):

1. Ist für die Bestimmung des Begriffs des Ursprungslands gemäß Art. 113a Abs. 1 VO einheitliche GMO (1234/2007/EG) und Art. 76 Abs. 1 Gemeinsame Marktorganisations-VO (1308/2013/EU) auf die Begriffsbestimmungen in Art. 23 ff. Zollkodex und Art. 60 Unionszollkodex abzustellen?

2. Haben Kulturchampignons, die im Inland geerntet werden, gemäß Art. 23 Zollkodex-VO (2913/92/EG) und Art. 60 Abs. 1 Unionszollkodex-VO (952/2013/EU) einen inländischen Ursprung, wenn wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt und die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Inland verbracht worden sind?

3. Ist das Irreführungsverbot des Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. i Lebensmitteletikettierungs-RL (2000/13/EG) und des Art. 7 Abs. 1 lit. a Lebensmittelinformations-VO (1169/2011/EU) auf die nach Art. 113a Abs. 1 VO einheitliche GMO (1234/2007/EG) und Art. 76 Abs. 1 Gemeinsame Marktorganisations-VO (1308/2013/EU) vorgeschriebene Ursprungsangabe anzuwenden?

4. Dürfen der nach Art. 113a Abs. 1 VO einheitliche GMO (1234/2007/EG) und Art. 76 Abs. 1 Gemeinsame Marktorganisations-VO (1308/2013/EU) vorgeschriebenen Ursprungsangabe aufklärende Zusätze hinzugefügt werden, um einer nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i Lebensmitteletikettierungs-RL (2000/13/EG) sowie Art. 7 Abs. 1 lit. a d Lebensmittelinformations-VO (1169/2011/EU) verbotenen Irreführung entgegenzuwirken?

Schlussanträge des Generalanwalts
In seinen Schlussanträgen hat der Generalanwalt beim EuGH ausgeführt, dass das Ursprungsland von pflanzlichen Erzeugnissen das Land ihrer Ernte sei und die korrekte Angabe über das Land der Ernte nicht geeignet sei, den Durchschnittsverbraucher in die Irre zu führen (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 04.04.2019, Rs. C-686/17).

Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der für das Inverkehrbringen von Obst und Gemüse nach der Agrarregelung vorgeschriebenen Ursprungsangabe und den in den Zollkodizes vorgesehenen Begriffsbestimmungen betreffend den nichtpräferenziellen Ursprung von Waren seien Art. 113a Abs. 1 AgrarmarktsorganisationsVO (1234/2007/EG) und Art. 76 Abs. 1 Marktorganisations-VO (1308/2013/EU) dahingehend auszulegen, dass für die Bestimmung des Begriffs „Ursprungsland“ i. S. d. Vorschriften auf die in den Art. 23 bis 26 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 60 des Zollkodex der Union i. V. m. den Art. 31 bis 36 der Delegierten Verordnung 2015/2446 aufgeführten Begriffsbestimmungen betreffend den nichtpräferenziellen Ursprung von Waren abzustellen sei.

Hinsichtlich der Frage, wann die Verbraucher durch die Kennzeichnung in die Irre geführt würden, enthalte Art. 7 Abs. 1 lit. a Lebensmittelinformations-VO (1169/2011/EU) keine Definition. Nach Ansicht des Generalanwalts sei der Begriff der Irreführung nach dieser Norm so zu verstehen, dass nur dann keine Irreführung vorliege, wenn der Durchschnittsverbraucher alle wesentlichen Informationen erhalte, die der Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung der Gegebenheiten benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Der Gesetzgeber habe die Definition des Ursprungslands eines Lebensmittels i. S. d. Lebensmittelinformations-VO durch einen Verweis auf die Zollkodizes in Art. 2 Abs. 3 dieser Verordnung klar und präzise festgelegt. Danach sei das Ursprungsland von pflanzlichen Erzeugnissen das Land ihrer Ernte. Weiterhin sei davon auszugehen, dass solche Informationen nicht als wesentlich für den Durchschnittsverbraucher anzusehen seien. Daraus folge, dass die Informationen über das Ursprungsland nicht geeignet seien, den Verbraucher in die Irre zu führen.

Urteil mit Spannung erwartet
Der Fall ist besonders interessant, da sich hier die Kennzeichnung nach Marktordnungsrecht einerseits und allgemeinem Lebensmittelrecht bzw. Lauterkeitsrecht andererseits gegenüberstehen.
Nun bleibt abzuwarten, ob sich der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts anschließen wird.

Weiterführende Informationen

Generalanwalt beim EuGH sieht die Angabe „Ursprung: Deutschland“ als nicht irreführend an, wenn Pilze in den Niederlanden aufgezogen und nur für die Ernte nach Deutschland verbracht werden >>

Schlussanträge des Generalanwalts v. 04.04.2019 im Volltext >>

„Ursprungsland: Deutschland“ bei Kultur-Champignons: BGH legt EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor >>

Beschluss des BGH v. 21.09.2017 im Volltext >>

Verfahren der Wettbewerbszentrale zur Angabe des Ursprungslands „Deutschland“ bei Kultur-Champignons – Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem BGH am 04.05.2017 >>

OLG Stuttgart zu Herkunftsangaben bei Kultur-Champignons: Trotz Irreführung über die Herkunft ist allein das Ernteland maßgeblich für die Angabe zum Ursprungsland >>

F 4 0784/13

hg

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