Ein Geschäftsmodell, das darauf basiert einen Flatrate-Internetzugang von anderen fremden Nutzern mitbenutzen zu lassen, ist wettbewerbswidrig. Dies hat das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) in einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden (Az. 6 U 223/08).
Zum Sachverhalt
Eine weltweit operierende Gesellschaft britischen Rechts warb dafür, sich als Mitglied einer Gemeinschaft von Internetnutzern („G E“) registrieren zu lassen, um dann als solches Mitglied, den eigenen Breitband-Internetzugang mit anderen Mitgliedern zu teilen.
Zu diesem Zweck überließ sie den Mitgliedern mit eigenem Internetzugang („Gf“) einen WLAN-Router nebst Software, über den diese ihren Internetzugang rund um die Uhr für die Nutzung durch andere zur Verfügung stellen konnten. Der Zugang wurde so zu einer Einwahlstation für die anderen Mitglieder („G Hotspot“). Dabei wurden drei Typen von Mitgliedern unterschieden: Ein „Linus“ stellt seinen Internetzugang kostenlos zur Verfügung und erhält im Gegenzug kostenfreien Zugang zu den anderen „G Hotspots“. Ein „Bill“ erhält einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf von Tagestickets. Diese Tickets müssen die „Aliens“ genannten Mitglieder ohne „Linus“-Status für die Nutzung von Zugangspunkten (nämlich der von den „Linusses“ oder „Bills“ eröffneten „G Hotspots“) bei der Gesellschaft britischen Rechts erwerben.
Rechtliche Beurteilung
Das Geschäftsmodell ist nach Auffassung des OLG Köln insgesamt wettbewerbswidrig, weil es die Interessen der Mitbewerber spürbar beeinträchtigt. Die Gesellschaft britischen Rechts macht den anderen DSL-Anbietern auf unfaire Weise Konkurrenz, indem sie sich für ihr Geschäftsmodell der kostenfreien Teilhabe an DSL-Internetzugängen bedient, welche die DSL Anbieter ihren Kunden gegen ein erkennbar anders kalkuliertes Entgelt zur Verfügung stellt. Statt mit eigenen technischen oder organisatorischen Leistungen auf der Vorleistung eines Dritten aufzubauen, um sie marktkonform fortzuentwickeln, nutzt sie eine unter anderen Voraussetzungen geschaffene Infrastruktur „schmarotzend“ aus, um sich mit einem eigenen kommerziellen Angebot am Markt zu etablieren.
Denn den Flatrate-Angeboten in diesem Bereich liegt die unternehmerische Erfahrung und Erwartung zu Grunde, dass Privatkunden ihren Internetzugang nicht rund um die Uhr in gleichbleibendem Umfang (beschränkt nur durch die Vertragslaufzeit und die zur Verfügung gestellte Bandbreite) nutzen, sondern typischerweise nur für begrenzte Zeitabschnitte unter Übertragung begrenzter Datenmengen, wobei ein intensiveres Nutzungsverhalten einzelner Anschlussinhaber durch das Verhalten der Nutzer ausgeglichen wird, die nur gelegentlich im Internet surfen.
Indem die Gesellschaft britischen Rechts bei Flatrate-Kunden dafür wirbt, ihre im Rahmen der Flatrate selbst nicht benötigten Nutzungskapazitäten der „G E“ zwecks weiterer kommerzieller Auswertung zur Verfügung zu stellen, stört sie dieses wirtschaftlich naheliegende, am Verhalten durchschnittlicher Internetnutzer orientierte Konzept. Denn einerseits setzt ihr Geschäftsmodell zwar die Existenz einer hinreichenden Zahl von Kunden der anderern Internetserviceprovider voraus, die über einen Internetzugang mit Flatrate verfügen (weil nur sie als „H“ vom Typ „Linus“ oder „Bill“ in Betracht kommen), so dass der Beklagten nicht die Absicht unterstellt werden kann, das Angebot und die Anbieter solcher Internetzugänge vollständig vom Markt zu verdrängen. Andererseits liegt es aber in der Konsequenz ihres Modells, das Prinzip der Flatrate durch extreme Nutzung der pauschal vergüteten Internetzugänge gewissermaßen auf die Spitze zu treiben und ad absurdum zu führen: Bei aus ihrer Sicht optimaler Verbreitung der „G E“ würden nämlich alle Internetzugänge, welche die anderen Provider ihren Kunden gegen ein pauschales Entgelt zur Verfügung stellen, täglich 24 Stunden lang über die volle Bandbreite genutzt. Es liegt auf der Hand, dass damit jede (Misch-) Kalkulation der Anbieter hinfällig würde und sie entweder das geforderte Pauschalentgelt ihren nutzungsabhängigen Einstandskosten anpassen, also wesentlich erhöhen, oder die pauschale Abrechnung ganz aufgeben müssten.
Dies führt in seiner konkreten Form zu einer gezielten Behinderung von Mitbewerbern und bedeutet letztendlich eine allgemeine Marktbehinderung, die schon jetzt Anzeichen einer drohenden Marktstörung aufweist. Das Geschäftsmodell ist daher unlauter und wettbewerbswidrig.
Urteil des OLG Köln vom 05.06.2009, Az. 6 U 223/08
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