Die Wettbewerbszentrale kritisiert in einem offenen Brief den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission zur Green Claims Richtlinie (2023/0085 (COD)), der sich seit April 2025 im Trilog befindet. Der Vorschlag soll die Kundschaft vor Greenwashing schützen und Transparenz in der Umweltwerbung fördern.
Doch die Wettbewerbszentrale sieht den Vorschlag auch zwei Jahre nach der Veröffentlichung weiter kritisch und als Gefahr für die Innovationskraft in Europa. Daher unterzeichnete die Zentrale nun ein aktuelles Verbändeschreiben an verschiedene Bundesministerien, die EU-Kommission und EU-Abgeordnete. Darin fordern mehrere große Wirtschaftsverbände gemeinsam eine Überarbeitung des Richtlinienentwurfs.
Jennifer Beal, Leiterin Büro Berlin der Wettbewerbszentrale, fasst in einem Interview mit Table.Media zusammen: „Die EU will verhindern, dass einige wenige Firmen Falschaussagen treffen. Dafür verpflichtet sie die gesamte Wirtschaft, Werbeaussagen mit Umweltbezug zur Vorprüfung vorzulegen. Die private Rechtsdurchsetzung geht sehr effizient gegen irreführende Umweltaussagen vor. Eine geplante Vorabprüfung wäre für Deutschland ein juristischer Paradigmenwechsel.“
Fünf kritische Aspekte
1. Bestehendes Recht ist wirksam
Urteile deutscher Gerichte und Durchsetzungsmaßnahmen in anderen EU-Ländern zeigen: Irreführende Umweltaussagen können bereits heute effektiv unterbunden werden – die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) hat sich bewährt. Ab September 2026 führt die Umsetzung der sogenannten EmpCo-Richtlinie zudem strengere Regeln für die Werbung mit Umweltaussagen und Siegeln ein. Weiterer Bedarf an Regelung besteht nicht.
2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist unverhältnismäßig
Die verpflichtende Vorabprüfung aller Green Claims durch externe Prüfinstanzen und ist mit hohem bürokratischem Aufwand und Kosten verbunden. Nicht nachvollziehbar: Eine eigene Folgenabschätzung („impact assessment“) der EU für die Richtlinie ist bis heute nicht erfolgt, obwohl die Richtlinie massiv in die Werbefreiheit eingreift.
3. Innovationshemmnis und Gefahr des „Green Hushing“
Gerade kleine und mittelständische Unternehmen werden abgeschreckt, ihre Kundschaft über Nachhaltigkeitsinitiativen zu informieren. Die Folge: Fortschritte im Umweltschutz bleiben unsichtbar, Wettbewerbsvorteile ungenutzt – und die Kundschaft erfährt weniger statt mehr.
4. Fragmentierung des Binnenmarkts
Unterschiedliche Prüfanforderungen in den Mitgliedstaaten lösen ein „race to the bottom“ aus und können unterschiedliche Verbraucherschutzniveaus bedeuten.
5. Rechtsunsicherheit
Ein Konformitätszertifikat bietet keinen Schutz vor Abmahnungen oder abweichenden Entscheidungen durch Behörden und Gerichte. Unternehmen investieren demnach in ein aufwändiges Prüfverfahren ohne eine verlässliche und rechtssichere Grundlage für ihre Werbung zu erhalten.
„Schutz vor Greenwashing: Ja, auf Basis der aktuellen Normen! Statt zusätzlicher Bürokratie fordern wir eine konsequente Anwendung und Durchsetzung des bestehenden Rechtsrahmens – europaweit“, so Beal.
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jb/kok