Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Wirksamkeit einer im innergemeinschaftlichen grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern verwendeten Rechtswahlklausel nach dem Recht des Landes, in dem der Verbraucher seinen Sitz hat, zu prüfen ist (Urteil vom 28.07.2016, Rs. C-191/15). Im konkreten Fall hatte die Firma Amazon mit Sitz in Luxemburg die Rechtswahlklausel
„Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“.
zumindest bis Mitte 2012 in Verträgen im Online-Handel, die unter anderem mit Verbrauchern mit Sitz in Österreich geschlossen wurden, verwendet. Ein österreichischer Verein hatte mehrere Klauseln der Beklagten beanstandet, da diese geeignet seien, Verbrauchern in Österreich den Schutz des Rechts ihres Heimatlandes zu entziehen.
=> Die Frage der Wirksamkeit einer solchen Rechtswahlklausel ist von besonderer Bedeutung für Unternehmer, die Verträge mit Verbrauchern im grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr in der Europäischen Union schließen, d.h. insbesondere also für Onlinehändler, die grenzüberschreitend an Verbraucher innerhalb der Europäischen Union verkaufen.
Der Oberste Gerichtshof Österreich legte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vor zwecks Klärung der Fragen, ob die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel nach österreichischem oder luxemburgischem Recht zu prüfen sei. Im zweiten Schritt sollte der EuGH klären, ob eine solche Rechtswahlklausel, die die Anwendung des Rechts des Staates vorsieht, in dem der Unternehmer sitzt, missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln sei (OGH, Beschluss vom 09.04.2015, Az. 2 Ob 204/14k).
Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, die Klausel sei unter Anwendung von österreichischem Recht zu prüfen. Er führt aus, auf eine Unterlassungsklage im Sinne der Richtlinie 2009/22 (Unterlassungsklagenrichtlinie) sei das anzuwendende Recht nach Art 6 Abs. 1 der Verordnung 864/2007 (Rom-II) zu bestimmen, wenn ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften geltend gemacht wird, die die Interessen der Verbraucher im Hinblick auf die Verwendung von missbräuchlichen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen schützen sollen. Das bei einer Beurteilung einer Vertragsklausel anzuwendende Recht sei anhand der Verordnung Nr. 593/2008 (ROM-I) zu bestimmen.
Die inhaltliche Prüfung der Missbräuchlichkeit der Klausel obliege dem jeweiligen nationalen Gericht. Der EuGH hat jedoch die Kriterien herausgearbeitet, wonach sich die Missbräuchlichkeit bestimmen lässt. Rechtswahlklauseln seien nach dem Unionsrecht grundsätzlich zulässig. Allerdings dürfe eine solche Klausel nicht von dem zwingenden Verbraucherschutzrecht des Heimatlandes des Verbrauchers abweichen. Eine Klausel sei bei Auslegung nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG missbräuchlich, wenn sie bei einem Verbraucher den irreführenden Eindruck vermittelt, auf seinen Vertrag sei nur das Recht des Mitgliedstaats des Unternehmers mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts seines Heimatstaates genießt.
Weiterhin hatte der EuGH die Frage zu klären, inwieweit die Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein im elektronischen Geschäftsverkehr tätiges Unternehmen dem Recht des Mitgliedstaats unterliegt, in dem das Unternehmen seine Niederlassung betreibt. Der EuGH führt unter Auslegung von Art. 4 Abs. 1a der Richtlinie 95/46/EG aus, in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten sei das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, auf den das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausrichtet, soweit eine Niederlassung in dem entsprechenden Mitgliedsstaat besteht. Hierbei bekräftigte der EuGH, dass es für die Annahme einer Niederlassung nicht darauf ankomme, dass die Datenverarbeitung „von“ der Niederlassung selbst ausgeführt werde; die Datenverarbeitung müsse jedoch „im Rahmen der Tätigkeiten“ der Niederlassung erfolgen. Wenn es sich hierbei um eine Niederlassung z. B. in Deutschland handelt, sei deutsches Recht anzuwenden. Das nationale Gericht habe die Frage nach der Ausrichtung der Geschäftstätigkeit zu klären.
Fazit:
Die Wettbewerbszentrale empfiehlt betreffenden Unternehmen, ihre eigenen Onlineseiten, Verträge und Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die Verwendung einer Rechtswahlklausel zu prüfen und diese falls erforderlich zu ändern.
Fälle zu Rechtswahlklauseln in der Praxis der Wettbewerbszentrale:
Auch die Wettbewerbszentrale hatte die Frage der Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel, die im innergemeinschaftlichen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern vereinbart wurde, bereits in der Vergangenheit durch nationale Gerichte klären lassen: In dem Falle eines niederländischen Apothekenversandhändlers hielt der BGH eine Rechtswahlklausel, wonach nur niederländisches Recht anwendbar sein sollte, aus denselben Gründen wie von dem EuGH herausgearbeitet, für unzulässig (BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 40/11). Ebenso entschied das OLG Oldenburg in einem Verfahren gegen ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, welches innergemeinschaftlich den Online-Handel betreibt und in einer Rechtswahlklausel nur die Anwendung deutschen Rechts vereinbarte (Hinweisbeschluss vom 23.09.2014, Az. 6 U 113/14).
Anmerkung:
Der EuGH greift mit seiner Entscheidung zur Datenverarbeitung auf den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der EU-Datenschutzgrundverordnung zurück. Bei der Datenschutzgrundverordnung handelt es sich um eine Verordnung der Europäischen Union, durch die die Regeln für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten EU-weit vereinheitlicht werden. Die Verordnung tritt im Mai 2018 in Kraft. Praktisch wird die vorliegende Entscheidung zur Datenverarbeitung ab Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung aufgrund der Rechtsvereinheitlichung an Relevanz verlieren.
Weiterführende Informationen
Aus der Mitgliederdatenbank der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich!):
es/tw
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