Zum Sachverhalt
In dem Rechtsstreit stehen sich Inhaber von französischen Apotheken und französische Berufsverbände sowie eine Gesellschaft niederländischen Rechts, die in den Niederlanden eine Apotheke betreibt, gegenüber. Die niederländische Apotheke führte eine Werbekampagne für den Online-Verkauf von Arzneimitteln durch, die sich explizit an französische Verbraucher richtete. Im Rahmen dieser Kampagne wurden Werbeprospekte und Werbebriefe verteilt, Rabatte ab einem bestimmten Bestellwert angekündigt sowie kostenpflichtige Links für Suchmaschinen gekauft. Die französischen Apotheker wendeten sich gegen diese Werbemaßnahmen und verlangten unter anderem Schadensersatz, der ihnen durch den unlauteren Wettbewerb der niederländischen Apotheke entstanden sei. Das Handelsgericht Paris entschied, dass die niederländische Gesellschaft mit unlauteren Mitteln Werbung um französische Kunden betrieben und gegen französische Bestimmungen verstoßen habe. Das von der niederländischen Apotheke angerufene Berufungsgericht legte dem EuGH mehrere Vorlagefragen vor. Im Kern geht es bei diesen Vorlagefragen um die Europarechtskonformität einer innerstaatlichen Regelung, die der Mitgliedsstaat (Frankreich) auf den in einem anderen Mitgliedsstaat (Niederlande) niedergelassenen Diensteanbieter anwendet.
Zur Beantwortung der Vorlagefragen
Der EuGH stellt fest, dass der Online-Verkauf von Arzneimitteln ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr darstellt. Nach dieser Richtlinie darf ein Mitgliedsstaat den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat grundsätzlich nicht einschränken, es sei denn, die Beschränkung ist durch bestimmte, dem Allgemeininteresse dienende Ziele gerechtfertigt.
Ausgehend von dieser Voraussetzung hält der EuGH ein Verbot jeglicher Werbung für Apotheker für zu weitgehend. Das Verbot von Rabatten sei allerdings für geeignet, einen Fehl- oder Mehrgebrauch von Arzneimitteln zu verhindern. Allerdings weist der EuGH darauf hin, dass ein solches Verbot hinreichend bestimmt sein muss und insbesondere nur für Arzneimittel und nicht für lediglich apothekenübliche Waren gelten darf. Die französische Regelung, die bei der ersten Bestellung den Patienten zum Ausfüllen eines Online-Anamnese-Fragebogens verpflichtet, hält der EuGH ebenfalls für eine akzeptable Maßnahme. In dem Verbot kostenpflichtiger Links sieht der Gerichtshof dagegen eine Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft. Ein solches Verbot wäre nur dann zulässig, so der EuGH, wenn vor dem nationalen Gericht der Nachweis erbracht würde, dass die Regelung geeignet sei, das Ziel – Schutz der öffentlichen Gesundheit – zu gewährleisten und nicht über das Erforderliche hinausgehe (EuGH, Urteil vom 01.10.2020, Az. C 649/18).
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des EuGH 121/20 >>
Urteil des EuGH in der Rechtssache C 649/18 >>
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