Der EuGH hat darüber entschieden, ob die Bereitstellung einer Software mit einer „Voice over IP“ als „elektronischer Kommunikationsdienst“ i. S. d. Art. 2 lit. c Rahmen-RL (2002/21/EG) eingestuft werden kann (Urteil v. 05.06.2019, Rs. C-142/18).
Das Unternehmen Skype Communications, Herausgeberin der Kommunikationssoftware „Skype“, mit der der Nutzer einen Sprachtelefonie- und Telefonkonferenzdienst von einem Gerät zum anderen in Anspruch nehmen kann, bietet als Zusatzfunktion das sogenannte „SkypeOut“ an. Damit kann der Nutzer unter Verwendung von „Voice over IP“-Technik, der Stimmübertragung über Internetprotokoll, Telefonanrufe von einem Endgerät an einen Festnetz- oder Mobilfunkanschluss tätigen. Mit SkypeOut können jedoch keine Telefonanrufe von Nutzern belgischer Telefonnummern angenommen werden.
Das Institut belge des services postaux et des télécommunications (IBPT) forderte Skype Communications auf, ihm seine Dienste nach Art. 9 § 1 LCE, wonach mit der Bereitstellung bzw. mit dem Verkauf in eigenen Namen und für eigene Rechnung von elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. –netzen ersten begonnen werden darf, wenn bestimmte Angaben gemeldet worden sind, zu melden und das Meldeformular beizufügen. Daraufhin antwortete Skype Communications, dass sie in Belgien keine Tätigkeit ausübe und jedenfalls keine elektronischen Kommunikationsdienste erbringe, da sie selbst keine Signale übertrage. Das IBPT war jedoch der Auffassung, dass SkypeOut zu den elektronischen Kommunikationsdiensten gehöre. Der Umstand, dass ein Rufnummernplan verwendet werde, zeige, dass es sich um einen Dienst handle, der mehr als eine Webanwendung sei. Zudem hindere der Umstand, dass Skype Communications nicht die Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze gewährleiste, sie nicht daran, tatsächlich solche Dienste anzubieten. Nach mehreren Aussprachen und Anhörungen stellte das IBPT deshalb fest, dass Skype Communications gegen Art. 9 § 1 LCE verstoßen habe.
Skype Communications erhob Klage bei der Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel, Belgien) auf Nichtigerklärung der Entscheidung des IBPT und beantragte u. a. festzustellen, dass SkypeOut kein elektronischer Kommunikationsdienst und daher nicht Anbieterin elektronischer Kommunikationsdienste sei. Der Cour d’appel de Bruxelles setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Art. 2 lit. c Rahmen-RL, der definiert was „elektronische Kommunikationsdienste“ sind, zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH entschied, dass Art. 2 lit. c Rahmen-RL dahin auszulegen sei, dass die Bereitstellung einer Software mit einer „Voice over IP“ als „elektronischer Kommunikationsdienst“ i. S. d. Vorschrift einzustufen sei, wenn zum einen dem Herausgeber der Software für die Bereitstellung dieses Dienstes Entgelt gezahlt werde und sie zum anderen den Abschluss von Vereinbarungen des Herausgebers mit für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in das PSTN ordnungsgemäß zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern beinhalte.
Dazu führte der Gerichtshof aus, dass Skype Communications den „Voice over Ip“-Dienst in Belgien anbiete und von den Nutzern ein Entgelt erhalte, da die Nutzung von SkypeOut entweder von einer Vorauszahlung oder einem Abonnement abhängig gemacht werde. Weiter erfordere die Nutzung von SkypeOut den Einsatz von Telekommunikationsdienstleistern, die für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen über das „Public Switched Telephone Network“ (PSTN), also über ein öffentliches Telefonnetz, an Festnetz- oder Mobilfunknummern zugelassenen seien, sowie das Skype Communications zu diesem Zweck Vereinbarungen mit diesen zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern abschließe. Daraus zog der EuGH den Schluss, dass die SkypeOut-Funktion überwiegend darin bestehe, die Sprachsignale über die elektronischen Kommunikationsnetze vom anrufenden Nutzer an den angerufenen Nutzer zu übertragen, sowie das Skype Communications gegenüber den Nutzern der SkypeOut-Funktion für die Übermittlung der Sprachsignale über das PSTN die Verantwortung übernehme. Die Übermittlung erfolge nämlich letztlich nach den Vereinbarungen zwischen Skype Communications und den Telekommunikationsdienstleistern und könne nicht ohne den Abschluss einer Vereinbarung zwischen diesen erfolgen. Damit mache Skype Communications über den Abschluss von Zusammenschaltungsvereinbarungen mit den PSTN-Telekommunikationsdienstleistern die Übertragung von Signalen des Internets zum PSTN technisch möglich und gewährleiste ihren Kunden und Abonnenten den mit der SkypeOut-Funktion ihrer Skype-Software erbrachten „Voice over IP“-Dienst.
Zu den Vorlagefragen führte der EuGH weiter aus, dass der Umstand, dass Nutzer der SkypeOut-Funktion über einen von einem „Internet Access Provider“ bereitgestellten Internetzugang, der selbst einen elektronischen Kommunikationsdienst darstelle, Zugang zu dem „Voice over IP“-Dienst erhalte, nicht bedeute, dass der „Voice over IP“-Dienst als solcher nicht als elektronischer Kommunikationsdienst eingestuft werden könne. Auch habe der Umstand, dass SkypeOut nur eine Funktion der Skype-Software sei und diese Software auch ohne diese Funktion genutzt werden könne, keinen Einfluss auf die Einstufung des „Voice over IP“-Dienstes als elektronischer Kommunikationsdienst. Weiterhin habe der Umstand, dass Skype Communications in ihren allgemeinen Vertragsbedingungen angebe, die Verantwortung für die Übertragung von Signalen an die Nutzer der SkypeOut-Funktion nicht zu übernehmen, keinen Einfluss auf die Einstufung des „Voice over Ip“-Dienstes als elektronischer Kommunikationsdienst.
Weiterführende Informationen
Urteil des EuGH im Volltext >>
(lk/es)
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