Die Stadtwerke dürfen ihren Kunden vergünstigte Kombi-Pakete für die Abnahme von Strom und einen Telefonanschluss anbieten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 04.11.2003 in einem Urteil entschieden, dass die Stadtwerke nicht kartellrechtswidrig handeln, wenn sie in Kooperation mit einem Telekommunikationsunternehmen den Bezug von elektrischem Strom und Telefondienstleistungen zu einem gemeinsamen vergünstigten monatlichen Grundpreis anbieten. Entscheidend war dabei für den BGH, dass der Kunde auch nur den Strom abnehmen konnte und nicht auf ein Kopplungsangebot zurückgreifen musste. Insoweit war auch die marktbeherrschende Stellung der Stadtwerke unerheblich.
Im Detail:
Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, sah in solchen Angeboten den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Stadtwerke und anderer örtlicher Energieversorger. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Anders als das Berufungsgericht bejahte der Bundesgerichtshof allerdings eine marktbeherrschende Stellung der beklagten Stadtwerke. Zwar hatten sie nur einen geringen Anteil am deutschen Gesamtmarkt der Belieferung der privaten Endabnehmer und gewerblichen Kleinverbraucher mit elektrischer Energie. In ihrem angestammten örtlichen Versorgungsgebiet belieferten sie – wie das Berufungsgericht unterstellt hat – jedoch trotz der Angebote bundesweit tätiger Stromanbieter 96 % der privaten Endabnehmer und gewerblichen Kleinverbraucher. Da danach die Liberalisierung des Energiemarktes im Bereich des Stromnetzes der Stadtwerke nicht zu einer spürbaren faktischen Belebung des Wettbewerbs geführt hat, sah der Bundesgerichtshof es als geboten an, in einem derartigen Fall den räumlich relevanten Markt trotz des Wegfalls der Versorgungsmonopole und des dadurch an sich möglichen bundesweiten Wettbewerbs weiterhin örtlich abzugrenzen.
Der Bundesgerichtshof hielt das Kopplungsangebot jedoch nicht für einen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung. Da die Kunden wählen konnten, ob sie wie bisher nur Strom von den Stadtwerken beziehen oder einen Vertrag über den Bezug von Strom und Telefon zu einem gemeinsamen Grundpreis schließen wollten, und somit beide Leistungen nicht zwangsweise gekoppelt wurden, sah der Bundesgerichtshof in dem Angebot einen legitimen Bestandteil des auch dem marktbeherrschenden Unternehmen offenstehenden Wettbewerbs um Strom- und Telefonkunden. Er wäre nach Auffassung des Kartellsenats nur dann bedenklich, wenn durch eine Sogwirkung des Angebots der Marktzutritt für Wettbewerber auf dem Markt für Telefondienstleistungen verhindert oder beschränkt würde; dafür bestanden jedoch keine Anhaltspunkte, zumal Verbraucher, die das Angebot der Beklagten annahmen, sich von überkommenen Gewohnheiten („Strom von den Stadtwerken, Telefon von der Deutschen Telekom“) lösen mussten.
Urteil vom 4. November 2003 – KZR 16/02
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 04.11.2003
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