Muss ein Versandhändler in einem Prospekt mit Bestellpostkarte über das Widerrufsrecht umfassend informieren oder reicht ein bloßer Hinweis darauf aus? Und muss und auch das Musterwiderrufsformular dort abgedruckt werden? Oder kann der Unternehmer sich darauf berufen, dass der Prospekt nur einen begrenzten Raum zur Verfügung hat? Um diese Fragen geht es in einem Musterverfahren der Wettbewerbszentrale, die insoweit Klarheit für die Werbenden erlangen will. Mit der heutigen Entscheidung in dieser Sache hat der Bundesgerichtshof einige Fragen zur Auslegung der Verbraucherrechterichtlinie dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 14.06.2017, Az. I ZR 54/16).
Der Sachverhalt
Im konkreten Fall hatte das Unternehmen Walbusch Werbesprospekte mit Antwort- und Bestellkarte als Zeitschriftenbeilage verwendet, in denen lediglich auf das Bestehen eines Widerrufsrechts hingewiesen wurde. Es fehlten jedoch die Informationen über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie Namen, Anschrift, Telefonnummer desjenigen, dem gegenüber der Widerruf zu erklären ist, ebenso wie das Muster-Widerrufsformular.
Der Rechtsstreit drehte sich im Kern um die Frage, ob es sich bei dem Printwerbeprospekt um ein Fernkommunikationsmittel handelt, „das nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit“ für die Informationsdarstellung bietet. Bei derartigen Kommunikationsmitteln sieht das Gesetz ausdrücklich Erleichterungen für den Unternehmer im Hinblick auf die Informationspflichten vor; insbesondere ist in diesen Fällen ein Hinweis auf das Widerrufsrecht ausreichend und keine ausführliche Belehrung erforderlich.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in der Berufungsinstanz geurteilt, dass der alleinige Hinweis nicht ausreiche, sondern umfassend über das Widerrufsrecht informiert und belehrt werden müsse (Urteil vom 18.02.2016, Az. I-15 U 54/15 – nicht rechtskräftig).
Das OLG Düsseldorf war der Auffassung, dass die gesetzliche Informationserleichterung nicht für Printmedien gelte, sondern nur für Medien, denen – etwa aus technischen Gründen – räumliche oder zeitliche Begrenzungen immanent seien. Ein erst durch die Gestaltung entstehender Platzmangel in einem Print-Werbeprospekt rechtfertige es nicht, dass der Unternehmer seinen Informationsverpflichtungen nicht nachkomme. Anderenfalls wäre es dem Unternehmer freigestellt, je nach der Größe des gewählten Printmediums selbst zu bestimmen, ob die Informationen erteilt werden müssen oder nicht. Dies entspreche jedoch nicht dem gesetzlichen Anliegen eines hohen Verbraucherschutzniveaus.
Die Vorlagefragen des BGH
Der BGH will nun vom EuGH wissen: Kommt es bei einem Fernkommunikationsmittel wie dem Werbeprospekt mit Bestellpostkarte im Hinblick auf einen etwaige Begrenzung darauf an, ob dieses abstrakt betrachtet oder in der konkreten Ausgestaltung durch den Unternehmer begrenzt ist? Ist es mit der Verbraucherrechterichtlinie vereinbar, wenn der Unternehmer im Falle begrenzter Darstellungsmöglichkeit nur auf das Bestehen des Widerrufsrechts hinweist? Muss auch im Fall begrenzter Darstellungsmöglichkeit das Musterwiderrufsformular dem Werbeprospekt beigefügt werden?
Hintergrund des Verfahrens
Nach Umsetzung der VRRL war bislang unklar war, in wie weit die vorvertraglich zu erteilenden Pflichtinformationen auch in Printmedien anzugeben waren:
Gemäß § 312 g Abs.1 BGB in Verbindung mit Art. 246 a § 1 Abs. 2 EGBGB müssen Unternehmer Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informieren sowie das Musterwiderrufsformular zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen sind vom Unternehmer vor der Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen, vgl. Art. 246a § 4 Abs. 1 UWG.
Diese Informationspflichten wurden vom deutschen Gesetzgeber in das BGB und das EGBGB mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie eingefügt.
Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher lautet:
„Wird der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen, auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung steht, so hat der Unternehmer über das jeweilige Fernkommunikationsmittel vor dem Abschluss des Vertrags zumindest diejenigen vorvertraglichen Informationen zu erteilen, die die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, b, e, h und o genannten wesentlichen Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, die Identität des Unternehmers, den Gesamtpreis, das Widerrufsrecht, die Vertragslaufzeit und die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge betreffen. Die anderen in Artikel 6 Absatz 1 genannten Informationen hat der Unternehmer dem Verbraucher in geeigneter Weise im Einklang mit Absatz 1 dieses Artikels zu erteilen.“
Die Verbraucherrechterichtlinie des europäischen Gesetzgebers dient einem europaweiten einheitlichen Verbraucherschutz. In allen Ländern der Europäischen Union sollen die gleichen Regeln für die Ausübung des Widerrufsrechts gelten und damit ein verlässlicher Verbraucherschutz gewährleistet werden. Durch die vollständige Harmonisierung soll ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen werden und damit auch der grenzüberschreitende Handel gestützt werden. (S 3 0929/14)
Weiterführende Informationen
Richtlinie über Verbraucherrechte 2011/83/EU >>
gb/ug
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