Auf die Klage der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Duisburg einen großen Lebensmittelhändler u. a. zur Unterlassung verschiedener Werbeaussagen verurteilt, die Verbrauchern vermittelten, dass das Unternehmen „klimaneutral“ handele (LG Duisburg, Urteil vom 08.05.2024, Az. 24 O 24/20 – nicht rechtskräftig).
Sachverhalt
Die Wettbewerbszentrale beanstandet in diesem Verfahren gleich mehrere Werbeaussagen des Lebensmittelhändlers, die sich u.a. mit den Auswirkungen des Unternehmens auf das Klima befassen. So stehen etwa die Werbeaussagen „Wir handeln klimaneutral seit 2017“ und „Erster klimaneutraler Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland seit 2017“ im Streit.
Die Wettbewerbszentrale erkennt in diesen pauschalen Angaben eine Gefahr der Irreführung der angesprochenen Verbraucher. Nach ihrer Auffassung können Verbraucher dem Begriff „klimaneutral“ für sich genommen nicht entnehmen, ob bzw. in welchem Umfang tatsächlich eine Vermeidung von Treibhausgasemissionen erreicht werden konnte – oder ob der Werbung (auch oder vielleicht sogar ausschließlich) die Kompensation von Emissionen etwa durch die Unterstützung von Aufforstungsprojekten zugrunde liegt. Ein inhaltlich so schwer greifbarer Begriff wie „klimaneutral“ bedarf nach Ansicht der Wettbewerbszentrale daher zumindest der Erläuterung durch den Werbenden – und zwar direkt am Ort der Werbung.
„Klimaneutral“ ist erklärungsbedürftig
Das Landgericht Duisburg ist der Auffassung der Wettbewerbszentrale nun in den wesentlichen Punkten der Klage gefolgt. Das Gericht schloss sich dabei insbesondere der ebenfalls von der Wettbewerbszentrale erwirkten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil v. 06.07.2023, Az. 20 U 72/22) an. Danach ist eine Werbung mit vermeintlicher „Klimaneutralität“ unlauter, wenn der Verbraucher nicht darüber aufgeklärt wird, ob die Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird.
Gerade wenn ein Verbraucher wisse, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensation erreicht werden könne, bestehe ein Interesse an der Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr gehe nicht selbstverständlich davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als klimaneutral bezeichne, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter bzw. auf den Kauf von Zertifikaten setze. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stünden nach Auffassung des Landgerichts bei Verbrauchern im Verdacht, das Unternehmen betreibe sog. Greenwashing, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich verbessert werde. Diesem Informationsinteresse ist das hier werbende Unternehmen nach Auffassung des Landgerichts nicht in hinreichender Weise nachgekommen.
Die Wettbewerbszentrale führt einige Grundsatzverfahren zur Werbung mit umweltbezogenen Aussagen wie „klimaneutral“. Die Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft für fairen Wettbewerb will mit den Grundsatzverfahren mehr Rechtssicherheit für werbende Unternehmen erreichen. In einem dieser Verfahren wird der Bundesgerichtshof am 27. Juni 2024 seine Entscheidung verkünden.
Weiterführende Informationen
F 5 0362/20
as
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