Am 4. April 2017 fand in der Autostadt in Wolfsburg das Expertenforum Automotive Recht (EAR) statt. Erschienen waren Vertreter von Automobilherstellern und Zulieferunternehmen, Autohäusern sowie Kfz-Verbänden und -Innungen, Prüforganisationen und im Automobilbereich tätige Anwälte.
Das zweite Expertenforum Automotive Recht wurde von RA Dr. Andreas Ottofülling (Wettbewerbszentrale Büro München) eröffnet. Nach der Begrüßung der Teilnehmer stellte er die Referenten vor und skizzierte kurz deren Vortragsthemen und moderierte sodann das Programm.
Den Vortragsauftakt machte Jan Michael Schüngeler, LL.M. (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur). Er referierte zum Thema „Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens.“ Dabei zeigte er die Potenziale des vernetzten Fahrens wie Steigerung der Verkehrseffizienz, Erhöhung der Verkehrssicherheit, Reduzierung der Emissionen bis hin zur Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland auf. Er stellte den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum automatisierten Fahren und die rechtlichen Problemfelder vor und skizzierte die internationalen Aktivitäten. Anschließend ging er auch auf das digitale Testfeld Autobahn und die Förderung erster Vorhaben auf digitalen Testfeldern in sieben deutschen Städten ein.
In dem Vortragsblock zum autonomen Fahren, das seit dem letzten EAR noch mehr Fahrt aufgenommen hat, schilderte RA Dr. Volker Hartmann (Audi AG) unter dem Thema „Here come the robots – Produkthaftung und Robotik“ die aus Sicht eines Automobilherstellers zentralen Rechtsgebiete wie Datenschutz, Produkthaftung, Produktsicherheit (Cyber-Security), Vertragsrecht bis hin zu zulassungs- und straßenverkehrsrechtlichen Regelungen. Dabei befasste er sich mit der Frage, ob die Technik das Recht abhängt. Im Rahmen der produkthaftungsrechtlichen Pflichten schilderte er in anschaulicher Weise, was ein Hersteller alles zu beachten hat. Perspektivisch werde sich die Frage der Maschinenethik stellen – es müssten Grundregeln entwickelt werden an die sich die Hersteller und Programmierer halten können. Davon ist Dr. Hartmann überzeugt.
Dem schloss sich der Vortrag von RA Dr. Lambert Pechan (Weber Sauberschwarz Rechtsanwälte) an mit dem Thema „Werbung mit sicherheitsrelevanten Produkteigenschaften/Fahrzeugeigenschaften.“ Nach einer Einführung, was sicherheitsrelevante Eigenschaften (konkrete Produkteigenschaften, Fahrassistenzsysteme, hochautomatisiertes Fahren) sind, stellte er den rechtlichen Rahmen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, straßenverkehrs- und zulassungsrechtlichen Regelungen dar. In einem dritten Teil stellte der Referent bisher ergangene Rechtsprechung zur Werbung mit Testergebnissen und Crashtests, zur Werbung für Sicherheitsausstattung anhand von Rückfahrkameras und der Werbung für Fahrassistenzsysteme vor. Alsdann analysierte er Werbebeispiele von Fahrzeugherstellern zum teilautomatisierten und vollautomatisierten Fahren.
RA Dr. Constantin Kurtz, LL.M. (Klaka Rechtsanwälte) hatte für seinen Vortrag das Thema gewählt: „SEP mit FRAND-Erklärung. Was tun, wenn die IT im Kfz zum Angriffspunkt von Trollen wird?“ Die Geschichte der Patent-Trolle geht in das Jahr 1879 zurück und noch im selben Jahrhundert wurden erste Abmahnungen gegen amerikanische Automobilhersteller wegen Patentverletzungen ausgesprochen. Heute sei vor allem die IT in Fahrzeugen davon betroffen. Es sei faktisch nicht möglich, moderne Technologien zu nutzen, ohne Patente Dritter zu verletzen. Um zu verhindern, dass Patentinhaber unkontrollierte Macht erlangten, sei Aufgabe von Standardisierungsorganisation, Patente, die für einen technischen Standard essentiell seien, in den Standard aufzunehmen, wenn der Patentinhaber erkläre, jedem an der Technik Interessierten eine Lizenz zu Bedingungen zu erteilen, die fair, angemessen und nicht diskriminierend seien. Der Referent hat das Geschäftsmodell, Patentportfolien zu erwerben um daraus Geld zu machen, indem man gegen produzierende Unternehmen vorgeht, ebenso vorgestellt wie eine sehr ausführliche Rechtsprechungsanalyse geliefert. Dabei hat er sich kritisch mit zahlreichen Urteilen bis hin zur EuGH-Entscheidung „Huawei/ZTE“ auseinandergesetzt.
In dem Referat „Ambushmarketing: Dürfen Automobilhersteller und –händler sich an den guten Ruf von Sportereignissen anlehnen?“ nahm Prof. Dr. Peter W. Heermann, LL.M. (Universität Bayreuth) die Zuhörer mit auf eine Reise in die Welt des parasitären, des Guerilla- und Schmarotzermarketings, oder feiner formuliert: Assoziationswerbung. Er stellte anhand zahlreicher Beispiele sodann die Erscheinungsformen anhand von Bezeichnungen und Kennzeichen einer Sportveranstaltung, die Werbung am Ort und die Bezugnahme auf diesen, die Verwendung typischer Veranstaltungsmerkmale, den Einsatz von sportaffinen Personen, die Verwendung sportbezogener Begrifflichkeiten und den Einsatz veranstaltungsbezogener Produkte vor. Alsdann zog er die rechtlichen Grenzen anhand des Markenrechts, des Olympiaschutzgesetzes und des Lauterkeitsrechts unter Einbeziehung der zu verschiedenen Werbebeispielen ergangenen Rechtsprechung.
Ein kartellrechtliches Thema unter der Überschrift „Risiken bei Absprachen in der Automobilwirtschaft aus kartellrechtlicher Sicht“ wurde von RA Prof. Dr. F. Christian Genzow (Graf von Westphalen & Partner) beleuchtet. Nach einer kurzen Darstellung der Rechtsgrundlagen widmete sich der Vortragende Wettbewerbsbeschränkungen auf horizontaler Ebene (Preisabsprachen, Mengenabsprachen, Marktaufteilungen) und legte dar, dass man hier selten Vereinbarungen finde, die Kartellbehörden aber häufig abgestimmte Verhaltensweisen vorfänden. Die besondere Schwierigkeit liege in der Abgrenzung zum „schlichten Parallelverfahren.“ Anschaulich schilderte er sodann das „Spanien-Kartell“ – hier hatte die spanische Kartellbehörde eine abgestimmte Verhaltensweise zwischen Händlern untereinander und zugleich miteinander mit den Herstellern festgestellt. Die verhängten Bußgelder beliefen sich auf Beträge zwischen 70.000 Euro und ca. 23 Mio Euro. Betroffen waren fast alle namhaften Automobilmarken der Volumen- und Premiumhersteller. Gegen ein LKW-Kartell hat die EU-Kommission gar Geldbußen von knapp 3 Mrd. Euro verhängt. Außerdem stellte der Referent noch Fälle vertikaler Bindung – betreffend Handelsvertreter, Kommissionsagent, Vertragshändler – und die rechtlichen Implikationen der VertikalVO (330/2010) vor.
Mit dem Thema „Die Regulierung des Service- und Ersatzteilmarkts unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten (Marktverhaltensregelungen und gerichtliche Praxis auf dem Aftermarkt)“ befasste sich RA Marcus Sacré, M.A. (Osborne Clarke). Zunächst stellte er die Vertriebswege bei Ersatzteilen und die „Alliance for the Freedom of Car Repair in Europe“ vor bevor er sich den rechtlichen Regelungen nach dem UWG, der StVZO, dem ProdSG, dem ElektroG sowie der ElektrostoffV, dem BattG, der AltölV und der Euro 5/6-Verordnung 715/2007 zuwandte. Auf welche Art der Zugang zu technischen Informationen ermöglicht werden muss war ein weiterer Aspekt, den der Referent beleuchtete. Das sektorspezifische Kartellrecht mit der Marktabgrenzung und den Inhalten der Kfz-GVO bildeten einen weiteren Schwerpunkt des Vortrags. Außerdem stellte er unter anderem dar, welche Vorgaben zur Qualität ein Fahrzeughersteller machen darf und welche Regelungen bei Garantien möglich sind.
Die Vortragsreihe beendete RA Peter Breun-Goerke, Syndikusrechtsanwalt (Wettbewerbszentrale Büro Bad Homburg) mit seinem Referat „Muss ich mir das gefallen lassen? Die Rechtsprechung zu Vergleichs- und Bewertungsportalen.“ Der Automobilhersteller, -händler und Zulieferer muss sich grundsätzlich eine Bewertung gefallen lassen, so das Eingangsstatement des Referenten, dargelegt und erläutert anhand zahlreicher Praxisfälle und der hierzu ergangenen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung auf nationaler und europäischer Ebene. Allerdings ist der Bewertete nicht gänzlich schutzlos gestellt. Bei einer konkreten Beanstandung der Bewertung obliegt dem Portal eine Prüfungspflicht. Bei beleidigenden und vulgären Bewertungen, bei Drohungen oder falschen Tatsachenbehauptungen gibt es einen Löschungsanspruch. Die Grenzziehung ist einzelfallabhängig – so kann nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch eine überzogene und ausfällige Kritik hinzunehmen sein, nicht aber eine persönliche Kränkung bei der das sachliche Anliegen in den Hintergrund tritt. Abschließend gab der Vortragende noch einen Ausblick auf Regelungsinstrumentarien der EU und Thesen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu digitalen Plattformen.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass das zweite Expertenforum Automotive Recht (EAR) der Wettbewerbszentrale eine gelungene Veranstaltung war und als automobile Branchenveranstaltung im gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht im kommenden Jahr eine Fortsetzung finden muss.
Kontakt:
Wettbewerbszentrale, Büro München
RA Dr. Andreas Ottofülling
Landsberger Str. 191
80687 München
Telefon: 089-592219
Telefax: 089-5504122
E-Mail: ottofuelling@wettbewerbszentrale.de
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