Nachdem die Europäische Kommission am 16. Juli 2003 Vorschlag für eine Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel verabschiedet hat, sind nach Auffassung der Kommission in den Medien zahlreiche Mythen und Missverständnisse über diese Verordnung aufgetaucht. Viele Bedenken können direkt ausgeräumt werden, denn sie betreffen Erzeugnisse, die gar nicht unter die Verordnung fallen. Andere Aspekte wurden nach Meinung der Kommission falsch interpretiert und müssen richtig gestellt werden. Die EU-Kommission wirft daher folgende Fragen auf und beantwortet sie wie folgt:
1. Was steht in dem Verordnungsvorschlag?
2. Slogans für Non-food-Erzeugnisse werden verboten. Das ist FALSCH.
3. Meine Lieblingsslogans auf Leckereien werden verboten FALSCH
4. Bestimmte nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben werden ganz verboten. Das ist RICHTIG.
6. Aussagen wie „Obst ist gesund“ werden verboten. Das ist FALSCH.
7. Der Nachweis der Angaben wird die Hersteller lähmen. Das ist FALSCH.
8. Die Verordnung sieht eine neue Agentur vor. Das ist FALSCH.
9. Warum sind „vage Angaben“ nicht erlaubt?
1. Was steht in dem Verordnungsvorschlag?
Der Vorschlag gilt für Angaben zum Nährwert (wie „reich an Vitamin C“ oder „fettarm“) und zur Gesundheit (z. B. Aussagen über gesundheitsfördernde Auswirkungen eines bestimmten Lebensmittels). Er enthält Vorschriften für die Aufstellung derartiger Aussagen und lässt sogar Angaben über die Senkung eines Krankheitsrisikos zu, die zuvor verboten waren. Im Interesse des Verbraucherschutzes enthält der Vorschlag auch gewisse Einschränkungen. Die Verordnung soll die Verbraucher schützen, den freien Warenverkehr verbessern, Wirtschaftsteilnehmern mehr Rechtssicherheit verschaffen, unrichtige Behauptungen verbieten und so den lauteren Wettbewerb garantieren. Der Vorschlag wird zu einem liberaleren Umgang mit Etikettangaben und Werbebotschaften führen. Auf Krankheiten bezogene Aussagen, die nach EU-Rechtsvorschriften bislang verboten waren, werden nun erlaubt sein, wenn sie auf EU-Ebene wissenschaftlich nachgewiesen und zugelassen werden können.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Hersteller die betreffenden Angaben gewollt als Marketing-Instrument mit den Produkten in Verbindung bringen. Wenn keine positiven Aussagen getroffen werden können, schreibt die Verordnung niemandem vor, das Produkt mit negativen Aussagen auf den Markt zu bringen. Ziel der vorgeschlagenen EU-Verordnung ist nicht, die Menge der nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf Etiketten und in der Werbung zu verringern, sondern vielmehr, sie anzupassen.
Bevor die endgültige Fassung des Vorschlags abgeschlossen wurde, sind die betroffenen Interessengruppen, einschließlich der Verbraucher und der Industrie, ausführlich konsultiert worden. Die Verbraucherverbände begrüßten den Verordnungsvorschlag als wichtigen Schritt auf dem Weg zur besseren Aufklärung der Verbraucher und als Maßnahmen gegen viele der heutzutage recht verbreiteten irreführenden Werbeaussagen.
Seitens der Industrie fand der Vorschlag ebenfalls weitreichende Zustimmung, da er einen bislang durch unterschiedliche nationale Vorschriften sehr schwierigen Markt regulieren und unlauteren Wettbewerb durch skrupellose Hersteller verhindern werde. Bei nährwertbezogenen Angaben werden für alle Wirtschaftsteilnehmer die gleichen Vorschriften gelten. Was gesundheitsbezogene Angaben betrifft, so werden nur wissenschaftlich fundierte, für den Verbraucher aussagekräftige Aussagen zugelassen.
Berichte über Proteste im Europäischen Parlament sind ebenfalls völlig unbegründet – das Parlament hat die Kommission sogar wiederholt aufgefordert, einen Vorschlag zur Regulierung derartiger Angaben vorzulegen.
2. Slogans für Non-food-Erzeugnisse werden verboten. Das ist FALSCH.
Hauptsächlich in den Medien wurden Bedenken verbreitet, dass beliebte Werbeslogans für die unterschiedlichsten Produkte von Kosmetika bis zu Arzneimitteln und Tierfutter verboten würden. Keiner dieser Slogans ist betroffen, da die vorgeschlagene Verordnung nur für Lebensmittel gilt. Viele Missverständnisse können daher ganz leicht ausgeräumt werden, da sie sich auf Produkte beziehen, die überhaupt nicht unter den Verordnungsvorschlag fallen.
Die folgenden Slogans beispielsweise sind von der Verordnung nicht betroffen:
· „Gillette, für das Beste im Mann“
· „Die Kraft der zwei Herzen“
· „Katzen würden Whiskas kaufen”
· „Sind sie zu stark, bist Du zu schwach”
3. Meine Lieblingsslogans auf Leckereien werden verboten. Das ist FALSCH.
Weitere Bedenken wurden in Bezug auf beliebte Werbeslogans für Lebensmittel, Getränke und Süßigkeiten vorgebracht (wie z. B. „Haribo macht Kinder froh“ oder „Red Bull verleiht Flügel“). Viele dieser Bedenken können ebenfalls zerstreut werden, da es um Werbeslogans geht, die keine nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben enthalten und daher weiterhin erlaubt sein werden.
Einige Beispiele für Slogans, die nicht betroffen sind, da es sich weder um nährwert- noch um gesundheitsbezogene Angaben handelt:
· „Haribo macht Kinder froh“
· „Red Bull verleiht Flügel“
· „Qualität ist das beste Rezept“
· „Melitta macht Kaffee zum Genuss”
· „Die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt“
· „So wertvoll wie ein kleines Steak“
In anderen Presseberichten wurde behauptet, mit der Verordnung würde „Werbung für Lebensmittel verboten“ oder einige Lebensmittel würden ganz verboten. Nichts davon ist wahr. Die Verordnung verbietet keine Lebensmittelwerbung, sie enthält lediglich Vorschriften über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf Etiketten und in der Werbung, damit die Verbraucher bei dem wichtigen Thema Gesundheit nicht in die Irre geleitet werden.
Die Verordnung verbietet auch keine Lebensmittel. Es wird lediglich vorgeschlagen, die Aussagen über Vorteile für die Ernährung oder die Gesundheit durch bestimmte Lebensmittel mit ungünstigem Nährwertprofil (z.B. mit hohem Fett- oder Zuckergehalt) zu begrenzen. Im Rahmen einer insgesamt ausgewogenen Ernährung können diese Produkte durchaus in Maßen verzehrt werden. Wenn aber die Werbung den Eindruck vermittelt, sie seien gesund und nahrhaft, könnten viele Verbraucher, die sie bisher in geringen Mengen zu sich genommen haben, größere Mengen konsumieren. Der Vorschlag sieht nicht vor, dass sie als „schlecht“ abgestempelt werden, sondern soll nur verhindern, dass sie als ‚Qualitätserzeugnisse‘ mit positiven Aussagen über Nährwert und gesundheitliche Vorteile vermarktet werden.
4. Bestimmte nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben werden ganz verboten. Das ist RICHTIG.
Der neue Ansatz bedeutet, dass alle bei der Kennzeichnung, Vermarktung und Werbung eingesetzten Informationen über Lebensmittel und ihren Ernährungs- oder Gesundheitswert, die nicht klar, zutreffend, aussagekräftig und nachprüfbar sind, untersagt werden. Dies gilt u. a. für vage Angaben, die sich auf das allgemeine Wohlbefinden (z. B. „hilft Ihrem Körper, mit Stress fertig zu werden“, „hält jung“), oder auf psychische oder Verhaltensfunktionen (z. B. „verbessert das Gedächtnis“ oder „verringert Stress und macht optimistisch“) beziehen. Auch Angaben bezüglich schlankmachender Wirkung oder Gewichtskontrolle (z. B. „halbiert/verringert die Kalorienaufnahme“) sind unzulässig. Verweise auf Aussagen oder befürwortende Stellungnahmen von Ärzten oder anderen Gesundheitsexperten sind nicht erlaubt, da sie den Eindruck erwecken könnten, der Verzicht auf das betreffende Lebensmittel könne die Gesundheit beeinträchtigen. Gesundheitsbezogene Angaben über alkoholische Getränke mit mehr als 1,2 % Alkohol sind ebenfalls untersagt, da Alkohol bekanntermaßen gesundheitliche und soziale Probleme verursachen kann. Zulässig sind nur Angaben hinsichtlich einer Verringerung des Alkohol- oder Energiegehalts.
Die vorgeschlagene Verordnung legt die Bedingungen fest, unter denen Produkte als fett- oder kalorienarm bezeichnet werden dürfen. Dies wird viele irreführende Werbeaussagen verhindern, die derzeit auf dem Markt zu finden sind. In manchen Presseberichten wurde behauptet, die Verordnung sehe schwierige und komplizierte Labortests für die Angaben „fettarm“ bzw. „kalorienarm“ vor – dies ist unzutreffend. Die Vorschriften für solche Angaben sind sehr einfach: um z. B. ein Erzeugnis als ‚fettarm‘ bezeichnen zu können, genügt es, dass sein Fettgehalt weniger als 3g/100g bzw. 1,5g/100ml beträgt. Ferner werden Angaben wie „90 % fettfrei“ verboten, da sie beim Verbraucher den falschen Eindruck erwecken können, es handle sich um ein fettarmes Erzeugnis, während der tatsächliche Fettgehalt (10 %) relativ hoch ist. Auch hierzu sind keine schwierigen, komplizierten oder kostspieligen Analysen nötig.
6. Aussagen wie „Obst ist gesund“ werden verboten. Das ist FALSCH.
Angaben wie „Obst ist gesund“ werden nicht verboten, doch die Verordnung schreibt vor, dass die Vorteile für die Ernährung und/oder Gesundheit entsprechend erläutert werden. Für den Verbraucher ist die Erklärung, warum Obst gesund ist, informativer als eine allgemeine Behauptung, die dies als Tatsache hinstellt.
7. Der Nachweis der Angaben wird die Hersteller lähmen. Das ist FALSCH.
Der wissenschaftliche Nachweis bietet die Gewähr für wahrheitsgetreue und aussagekräftige Verbraucherinformationen über die Ernährungs- und Gesundheitsvorteile von Lebensmitteln. Manche Medien kritisierten die Nachweispflicht, da sie Innovation und Produktentwicklung behindere. Dabei übersehen sie, dass bereits heute eine Lebensmittelfirma intensiv wissenschaftlich forscht, bevor es ein Produkt mit einer gesundheitsbezogenen Angabe auf den Markt bringt. Insbesondere wurde das Zulassungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben, die darauf hinweisen, dass ein Krankheitsrisiko durch den Verzehr des Lebensmittels reduziert wird, bemängelt.
Tatsächlich sind solche Angaben nach den geltenden EU-Vorschriften bisher ganz verboten. Die jetzt vorgeschlagene Verordnung lockert dieses Verbot und lässt gesundheitsbezogene Aussagen zu, die belegt werden können. Die Nachweispflicht ähnelt generell der Regelung, die seit Jahren in den USA in Kraft ist, wo Gesundheitsbezogene- und Etikettierungsangaben für Lebensmittel florieren.
8. Die Verordnung sieht eine neue Agentur vor. Das ist FALSCH.
Der Verordnungsvorschlag sieht keine neue Agentur vor, doch er überträgt der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine wichtige Rolle bei der wissenschaftlichen Überprüfung gesundheitsbezogener Angaben. Der genaue Wortlaut der vorgesehenen Angaben bleibt selbstverständlich den Herstellern überlassen, die somit weitgehend flexibel sind.
9. Warum sind „vage Angaben“ nicht erlaubt?
Es muss klar und eindeutig unterschieden werden zwischen Angaben, die sich auf bestimmte körperliche oder psychische Funktionen beziehen, oder das allgemeine Wohlbefinden ansprechen. Zahlreiche Produkte – von Joghurt bis Schokolade, von Getränken bis Frischkäse – sollen angeblich „den Organismus reinigen“, „jung halten“, „den Altersprozess verlangsamen“ usw. Alle diese Aussagen sind vage, bedeutungslos und nicht nachprüfbar. Generell können subtile Sprachführung und Wortspiele wichtige Bestandteile der Werbung sein, doch bei dem wesentlichen Aspekt der Gesundheit ist ganz besonders darauf zu achten, dass die Verbraucher nicht irregeführt werden. Was sie brauchen sind klare Angaben, die die gesundheitlichen Vorteile bestimmter Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteile erläutern. Falls der Joghurt also wirklich den Organismus reinigt, sollte es auch möglich sein, dem Verbraucher zu sagen, warum und wie.
Die geltenden Rechtsvorschriften über irreführende Werbung erfordern geeignete Mittel zur wirksamen Kontrolle in allen Mitgliedstaaten. Dazu gehören gesetzliche Bestimmungen, wonach Personen oder Verbände gerichtliche und/oder behördliche Schritte gegen irreführende Werbung einleiten können. Diese Vorschriften, die für alle Produkte und Dienstleistungen gelten, geben Einzelpersonen und Konkurrenten die Möglichkeit, sich gegen irreführende Werbung zu wehren. Der jetzige Rechtsvorschlag dient dazu, irreführende Etikettierung und Werbung über Ernährungs- und Gesundheitseigenschaften von Lebensmitteln von vornherein zu verhindern.
Quelle: Pressemitteilung der EU-Kommission vom 02.10.2003
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