Die Verfassungsbeschwerde (Vb) einer Zahnarzt-GmbH, die sich gegen ihre wettbewerbsrechtliche Verurteilung wegen unzulässiger Werbung wehrte, war erfolgreich.
Das Bundesverfassungsgericht hat den mit der Vb angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) aufgehoben, weil er die Beschwerdeführerin (Bf) in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt. Das Verfahren wurde an den BGH zurückverwiesen.
Zum Sachverhalt:
Die Bf betreibt als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Zahnlabor, den Handel mit medizinischen Geräten sowie die Fortbildung auf dem Gebiet der Zahnheilkunde und bietet außerdem zahnärztliche Behandlungen in einer Klinik an. Sie kann Patienten stationär aufnehmen. Für ihre im Einzelnen näher benannten Behandlungsleistungen warb sie unter anderem in der Zeitschrift „auto, motor und sport“ als Institut für orale Implantologie und ästhetische Zahnheilkunde. Sie verwies darin auf ihr langjährig erfahrenes Ärzteteam, das in ruhiger Atmosphäre ein individuelles Behandlungskonzept erstelle. Die maßgebliche Berufsordnung untersagt dem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung. Die Zahnärztekammer hielt die Werbung für berufsordnungswidrig und ging gegen sie wettbewerbsrechtlich vor. Die Bf wurde zur Unterlassung der Werbung verurteilt. Die Werbung verstoße gegen das berufsrechtliche Werbeverbot für Zahnärzte und verletze damit § 1 UWG. Der BGH nahm die dagegen eingelegte Revision nicht zur Entscheidung an. Dagegen richtet sich die Vb der Bf. Sie rügt eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die vom BGH bejahte wettbewerbsrechtliche Störerhaftung einer Zahnarzt-GmbH stelle die Werbung von Zahnkliniken in vollem Umfang der Werbung von Zahnärzten gleich.
Aus den Gründen der Entscheidung geht hervor:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nur berufswidrige Werbung verboten. Berufswidrig ist Werbung, die nicht interessengerecht und sachangemessen informiert. Eine zulässige Information wird auch nicht allein durch den Werbeträger zu einer berufswidrigen Werbung. Weiter gelten für Kliniken nicht dieselben Wettbewerbsbeschränkungen wie für niedergelassene Ärzte. Diese Besonderheiten gelten auch dann, wenn Ärzte oder Zahnärzte Kliniken betreiben, und sind eine Konsequenz aus dem höheren sachlichen und personellen Aufwand und den laufenden Betriebskosten.
Die Rechtsgrundlage der angegriffenen Entscheidung begegnet bei verfassungskonformer Auslegung auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Grenze zwischen erlaubten und verbotenen Handlungsformen haben die Fachgerichte – unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit mit der Sicherung des Werbeverbots – im Einzelfall zu ziehen.
Nach Auffassung des BGH steht hinter der Klinik letztlich nur einer der behandelnden Zahnärzte, dem die beanstandete Werbung im Wesentlichen zugute kommt. Die Möglichkeit, Patienten stationär aufzunehmen, rechtfertige es daher nicht, der Bf eine ausschließlich auf die Gewinnung von Patienten gerichtete Werbung zu gestatten. Mit dieser Sachverhaltswürdigung und Normauslegung wird die angegriffene Entscheidung jedoch dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. Dazu führt die Kammer aus:
Das Werbeverbot für Zahnärzte betrifft den niedergelassenen Zahnarzt. Für Kliniken gelten dagegen nicht dieselben Werbebeschränkungen. Die Bf bietet hinsichtlich Einrichtung und Ausstattung mehr als ein niedergelassener Zahnarzt an. Sie unterhält und nutzt nach ihrem Vortrag sämtliche für einen Klinikbetrieb erforderlichen Einrichtungen. Dass in diesen Räumlichkeiten möglicherweise auch ambulante Eingriffe stattfinden, kann der Bf nicht entgegen gehalten werden. Kliniken stehen den niedergelassenen Ärzten auch bei Vornahme ambulanter Eingriffe grundsätzlich nicht gleich. Im Übrigen kann bei einer bundesweiten Werbung kaum angenommen werden, dass lediglich für ambulante Dienste geworben wird. Dass in Kliniken neben dem sonstigen Personal auch Ärzte beschäftigt werden, führt nicht dazu, die Kliniken den Standesregeln für Ärzte zu unterwerfen. Die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung auf kleinere Kliniken ist daher mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.
Die Werbung ist aber auch dann nicht zu beanstanden, wenn man von dem für einen niedergelassenen Arzt maßgeblichen Werbeverbot ausgeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Werbeeffekt als solcher nicht zu einem Verbot führen, weil dem Zahnarzt von Verfassungs wegen die berufsbezogene und sachangemessene Werbung erlaubt ist. Konkurenzschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen sind keine legitimen Zwecke, die Einschränkungen der Berufsausübung rechtfertigen können. Der eigentliche Zweck der Werbung liegt darin, Kunden oder hier Patienten zu Lasten der Konkurenz zu gewinnen. Akquisition als solche ist nicht berufswidrig.
Die Beanstandungen der Fachgerichte sind auch inhaltlich nicht gerechtfertigt. Dies wird im Beschluss hinsichtlich der Bewerbung einzelner Behandlungsleistungen, eines langjährig erfahrenen Ärzteteams und einer ruhigen Atmosphäre im Einzelnen ausgeführt.
Auch aus der Werbung in einer gewöhnlichen Publikumszeitschrift ergeben sich keine negativen Rückwirkungen auf das Berufsethos der Ärzte und auf das Vertrauen der Patienten in die Ärzteschaft. Zulässige Werbung wird nicht allein durch den Werbeträger zu einer berufswidrigen Werbung. Werbung wird auch nicht durch bundesweite Verbreitung unsachlich.
Beschluss vom 26. September 2003 – 1 BvR 1608/02 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht vom 14.10.2003
Weiterführende Hinweise zu diesem Thema
Mitteilung der Wettbewerbszentrale vom 04.09.2003: Zur Werbung von Zahnärzten im Internet
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