Der Bundesgerichtshof hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil (BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017, Az. I ZR 53/16) daran festgehalten, das eine irreführende Blickfangwerbung nur so aufgeklärt werden kann, dass durch einen am Blickfang teilnehmenden Hinweis der Verbraucher informiert wird.
Das beklagte Immobilienunternehmen hatte auf seinem Internetauftritt eine Anleihe und ein Nachrangdarlehen als Kapitalanlage beworben. Sowohl in der Überschrift als auch im weiteren Text war immer wieder von einem Festzins zwischen 5% und 6,25% im Jahr die Rede. Ganz am Ende der Internetseite, die man nur durch längeres Scrollen erreichen konnte, wurde hinsichtlich des Nachrangdarlehens darüber aufgeklärt, dass diese Anlageform statt der erwarteten Zinsen auch zu einem Totalverlust des Kapitals führen kann.
Diesen sogenannten „Risikohinweis“ am Ende der Internetseite sah der BGH als unzureichend an. Die Überschrift „Festzins Plus“ sei irreführend, weil sie eine Sicherheit der Kapitalanlage suggeriert, die nicht besteht. Der Risikohinweis wäre nur dann zur Aufklärung geeignet gewesen, wenn entweder durch einen Sternchenhinweis der Verbraucher darauf hingeführt werde oder die Aufklärung durch räumliche Nähe des Warnhinweises „auf einen Blick“ erkannt werden kann. Dies gelte auch dann, wenn der Verbraucher sich wegen der wirtschaftlichen Tragweite länger mit dem Angebot befasse.
Der BGH bestätigt damit, dass er grundsätzlich an der von ihm selbst entwickelten Rechtsprechung zur Blickfangwerbung festhält. Zweifel daran waren dadurch entstanden, weil er in einem Urteil vom 18.12.2014 (BGH, Urteil vom 18.12.2014, Az. I ZR 129/13) eine einschränkende Erläuterung in einer Möbelwerbung als überflüssig angesehen hatte. Dort war unter der Überschrift „Schlafzimmer Komplett“ ein Schlafzimmer mit Doppelbett abgebildet worden. Am unteren Ende der doppelseitigen Anzeige erfolgte der Hinweis , das in dem „kompletten Schlafzimmer“ die abgebildeten Matratzen und Lattenroste nicht im Preis enthalten waren. Dort hatte der BGH entschieden, dass auch ohne Sternchenhinweis eine Klarstellung im weiteren Text der Werbung ausreichend sei, weil der Verbraucher sich im Hinblick auf die Bedeutung der Kaufentscheidung für langlebige Produkte mit dem gesamten Text befassen werde. Die Entscheidung war kritisiert worden, weil der Eindruck entstand, der BGH gebe seine Rechtsprechung zur Irreführenden Blickfangwerbung und zum Erfordernis der Aufklärung der Irreführung auf.
In einer Entscheidung vom 15.10.2015 (BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZR 260/14 – All Net Flat) hatte der BGH bereits klargestellt, dass die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt ist. Auf die Frage, ob es sich dabei um bedeutsame Kaufentscheidung handelte ist er allerdings in diesem Urteil nicht eingegangen.
Mit der aktuellen Entscheidung stellt der BGH klar, dass er an den von ihm aufgestellten Grundsätzen zur Blickfangwerbung auch für bedeutsame Kaufentscheidungen festhält und eine Aufklärung zum Beispiel durch einen Sternchenhinweis nur dann entbehrlich ist, wenn der Verbraucher die Einschränkung „auf einen Blick“ wahrnehmen kann.
Weiterführende Informationen
BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017, Az. I ZR 53/16 >> aus der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesgerichtshofs
BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZR 260/14 – All Net Flat >> aus der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesgerichtshofs
BGH, Urteil vom 18.12.2014, Az. I ZR 129/13 >> aus der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesgerichtshofs
pbg
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