Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sind, die Kunden von Mobilfunkverträgen die Nutzung des Internetzugangs nur auf mobilen Endgeräten erlauben (BGH, Urteil vom 04.05.2023, Az.III ZR 88/22).
Im konkreten Fall hatte ein Telekommunikationsunternehmen im Zusammenhang mit einem Mobilfunk-Tarif folgende AGB-Klausel verwendet:
„Der mobile Internetzugang kann/darf nur mit Smartphones, Tablets oder sonstigen Geräten genutzt werden, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen (nicht z.B. in stationären LTE-Routern).“
Die Nutzung auf kabelgebundenen Geräten war also nicht gestattet. Ein Verbraucherschutzverband hielt die genannte Klausel für unzulässig und begehrte Unterlassung.
Senat sieht Verstoß gegen TSM-Verordnung
Nach Auffassung des BGH verstößt die betroffene Klausel gegen primäres EU – Recht. Betroffen ist hier die sog. Endgerätewahlfreiheit.
Diese ist in der Verordnung (EU) 2015/2120 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union – kurz: TSM–Verordnung – geregelt.
Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 TSM-VO haben Endnutzer das Recht, über ihren Internetzugangsdienst Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen. Diese sog. Endgerätewahlfreiheit ist grundlegend für den Zugang zum Internet und Teil der digitalen Kommunikations- und Informationsfreiheit.
Nach Auffassung des Gerichts müsse diese unabhängig von der Art des bereitgestellten Zugangs (Mobil- oder Festnetz-Vertrag) auch Endgeräteübergreifend erlaubt sein. Im Ergebnis: Das im Rahmen von Mobilfunkverträgen gebuchte Internet-Datenvolumen darf auch auf nicht-mobilen, also kabelgebundenen Endgeräten genutzt werden.
Die TSM–Verordnung gilt als primäres EU–Recht unmittelbar auch in den Mitgliedsstaaten. Die Verwendung dieser Regelungen zuwiderlaufender AGB-Klauseln verstößt gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen und stellt daher eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher i.S.d. § 307 Abs.1, Abs.2 Nr.1 BGB dar. Die AGB hielten der Inhaltskontrolle nicht stand.
Praxishinweis
Die Wettbewerbszentrale rät aus diesem Anlass Telekommunikationsanbietern dazu, ihre eigenen AGB im Hinblick auf die sog. Endgerätewahlfreiheit zu überprüfen und wenn nötig rechtssicher anzupassen.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 077/2023 vom 04.05.2023 >>
Das Urteil liegt im Volltext noch nicht vor.
md
Weitere aktuelle Nachrichten
-
Wettbewerbszentrale beanstandet unerlaubte Bewertungsaufforderungen
-
OLG Nürnberg: Referenzpreis muss unschwer zu ermitteln sein
-
Wettbewerbszentrale moniert Blickfangwerbung auf Tierfutterverpackungen als irreführend
-
Rückblick: Herbstseminar 2024 der Wettbewerbszentrale mit gelungenem Auftakt
-
EuGH: Ein gestiegener Preis kann kein „Highlight“ sein